"Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort.
Rumi (1207-1273), persischer Dichter
Dort treffen wir uns.“
Anna Haag im „poetischen Porträt“
Buchbesprechung
Über Anna Haag, die Pazifistin aus Althütte, ist jetzt im 8grad-Verlag ein Buch erschienen. Zu diesem Zweck hat die Historikerin Dr. Gabriela Katz sich Anna Haags Tagebücher, in denen diese ab 1940 ungeschminkt Kritik am NS-Regime übt, als Vorlage genommen. Entstanden ist daraus ein „poetisches Porträt einer mutigen Frau, die in dunkler Zeit ihre Stimme findet“, wie auf dem Buchrücken angekündigt wird.
Anna Haag wählte damals den unbequemeren Weg. Statt in der Menge mitzuschwimmen und sich somit zu den „Guten“ zählen zu dürfen, ließ sie sich nicht von der Propaganda verführen. Die bei Kriegsbeginn 51-jährige Haag bewahrte sich eine Eigenschaft, die andere offenbar verloren hatten, nämlich: selbst zu denken. So notierte sie Anfang 1941 fast erstaunt: „Zuweilen habe ich den Eindruck, als ob ein Massenwahnsinn das deutsche Volk ergriffen habe und als ob ein Gehirnschwund um sich fräße. Denken ist heute überhaupt nicht mehr Mode.“
„Anna Haag im „poetischen Porträt““ weiterlesen„Wir haben Ihnen vertraut, Herr Englert“
Gastbeitrag von Andreas Schneider
Zum Problem der Zuschüsse für Kulturtreibende angesichts leerer Kassen äußerte sich Stadtrat Andreas Schneider im Rahmen der Haushaltsberatungen am 17. November.
Hier sein Redebeitrag im Wortlaut:
Wir hatten als Gemeinderat drei Klausuren, die teilweise kostspielig waren. Dort hat die Verwaltung uns haargenau aufgelistet, welche Gelder in welchen Fachbereichen eingespart werden können. Und Herr Englert hat uns einen Betrag genannt, wie viel der Gemeinderat einsparen sparen muss, damit der Haushalt zukunftsfähig bleibt. 3 Millionen Euro wurden uns gesagt. Und wir haben Ihnen vertraut, Herr Englert.
„„Wir haben Ihnen vertraut, Herr Englert““ weiterlesenZur-Kasse-bitten ist das neue Sparen
Ankündigung
Am heutigen Donnerstag, 8. Dezember, diskutiert der Verwaltungsausschuss über weitere Anträge der Rathausspitze, wie man mehr Geld in die Stadtkasse bekommt. Darunter: höhere Gebühren für Dienstleistungen des Rathauses und höhere Eintrittspreise für die Forscherfabrik. Kinder sollen dort künftig 3 Euro statt 2,50 Euro zahlen. Die Familienkarte soll 50 statt 40 Euro kosten.
Zudem will man die Betreuung in Kindertagesstätten auf 40 Wochenstunden herunterfahren. Dies würde Personalkosten in Höhe von 330.000 Euro einsparen. Betroffen von dieser Kürzung seien 189 Familien.
Gleichzeitig steigen die Ausgaben für Rathauspersonal durch Beförderungen (ab S. 477 im Haushaltsplan-Entwurf). So wird die Leiterin der „Stabsstelle Klimaschutz“ – keine zwei Jahre nach deren Einrichtung – um eine Besoldungsstufe höher entlohnt, ebenso die Assistenzstelle dort. Die 70-Prozent-Stelle des Radwegekoordinators (vom Land gefördert) wird auf eine Ganztagsstelle aufgestockt, was zu Lasten der Stadtkasse geht. Zudem habe es in der „Stabsstelle Digitalisierung“ personelle Zugänge gegeben, um die Verwaltung „zukunftsfähig“ zu halten.
„Zur-Kasse-bitten ist das neue Sparen“ weiterlesenDoku über Stuttgart 21: „Das Trojanische Pferd“
Ankündigung
„Die Kritiker hatten in allem Recht: Der Bahnhof ist viel zu klein, brandgefährlich und extrem klimaschädlich.“ So steht es im Flugblatt, mit dem auf den Film „Das Trojanische Pferd – Stuttgart 21“ aufmerksam gemacht wird. Dieser wird am Mittwoch, 7. Dezember, im Manufaktur-Kino „Kleine Fluchten“ gezeigt. Beginn ist 19 Uhr. Die Premiere dieser Doku war in Stuttgart erst vor zwei Wochen.
„Der Film schildert die Entstehung des Projekts Stuttgart 21 als reines Immobilen- und Tunnel- und Bauprojekt, als Zerstörung eines bestfunktionierenden Bahnhofs von Anfang an“, wird im Begleittext zum Trailer erklärt. Filmemacher Klaus Gietinger zeigt in seiner Doku Zusammenhänge auf und würdigt den – stets konstruktiven – Widerstand der Bevölkerung, der bis heute anhält.
Derzeit werde die Eröffnung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm groß gefeiert, die enorme Kostensteigerung aber ignoriert. Für nur ein paar Minuten Fahrzeitgewinn seien Milliarden Euro in diese Neubaustrecke „versenkt“ worden. Geld, das für den Ausbau des Schienen-Personen-Nahverkehrs fehlt. Die Kritiker des Projekts sagen, es sei noch nicht zu spät, den falschen Weg zu verlassen.
„Besonders wertvoll und ungewöhnlich“
Gedenktag
Am heutigen 3. Dezember feiert Alice Schwarzer ihren 80. Geburtstag. Die Journalistin und Herausgeberin der „Emma“ ist Deutschlands bekannteste Feministin. 83 Prozent aller Deutschen kennen sie, ermittelte 2006 das Institut Allensbach, 67 Prozent finden, sie habe „viel für Frauen getan“. Legendär ist ihre Aktion „Wir haben abgetrieben“, bei der sich 374 Frauen öffentlichen zu diesem damals illegalen Eingriff bekannten, um den § 218 abzuschaffen.
Ihr zu Ehren zeigte die ARD am Mittwoch ein Porträt über sie im Spielfilmformat. Dort beweist Nina Gummich in der Titelrolle große Schauspielkunst und bringt uns sehr überzeugend die Frau hinter dem berühmten Namen als Mensch näher. Sehr erstaunt sei sie gewesen, als sie das Drehbuch las, gab Gummich an. Nie hätte sie gedacht, wie viel Diskriminierung die Frauen noch in den 1970-er-Jahren erlebt haben, und wie viel von dem, was ihr heute selbstverständlich erscheint, erst durch Feministinnen errungen wurde.
„„Besonders wertvoll und ungewöhnlich““ weiterlesenMerkwürdige Dinge geschehen
Kommentar
Merkwürdige Dinge geschehen derzeit im Gemeinderat. Da wurde der städtische Zuschuss für das Kulturforum vom Gremium abgelehnt (s. Beschlussprotokoll S. 10) und soll in der nächsten Sitzung erneut beraten werden. So etwas geht eigentlich nicht. Denn gemäß Geschäftsordnung § 13 (2) darf ein gleiches Thema erst wieder in einem halben Jahr auf die Tagesordnung kommen, es sei denn, es würden „neue Tatsachen“ (§ 10) bekanntwerden.
Auf Anfrage erklärt Sonja Schnaberich-Lang, die Kommunalrecht-Fachfrau im Rathaus, dass es „zwingende Gründe“ gebe, die es erlaubten, sich über diese Regel hinwegzusetzen. Zum einen bestehe ein Kooperationsvertrag zwischen Stadt und KuFo, zum anderen hingen daran Beschäftigungsverhältnisse. Sprich: Ohne Geld würden diese Mitarbeiterinnen ab Januar auf der Straße stehen. Das leuchtet ein. Ist aber wirklich keine „neue Tatsache“.
„Merkwürdige Dinge geschehen“ weiterlesenZu lange über die eigenen Verhältnisse gelebt
Da wünscht sich womöglich mancher unseren vorherigen Oberbürgermeister zurück, wenn er in der Zeitung liest, dass dieser jetzt ein 5‑Millionen-Euro-Sparpaket für den Stadt-Haushalt von Esslingen erwirkt hat. Wie hat er das gemacht? Er erhöht die Parkgebühren und verzichtet auf die Erweiterung der Stadtbücherei.
„Dies kann nur der erste Schritt in unseren Bemühungen sein, Esslingen aus finanzieller Sicht zukunftsfest zu machen“, wird er in den „Stuttgarter Nachrichten“ zitiert. Sein Finanzbürgermeister Ingo Rust bezeichnete diese Einsparungen als „spürbare Einschnitte“, die freilich „noch keine tiefen Einschnitte“ seien. Und er sagte „ganz klar“, dass solche noch kommen würden und müssten.
Carmen Tittel, die Fraktionsvorsitzende der dortigen „Grünen“, stimmte dem Sparpaket zu, obwohl es ihr nicht leicht falle, wie sie erklärte. Doch habe sie sich an ihren Eid als Stadträtin erinnert, demzufolge sie verpflichtet sei, Schaden von der Stadt abzuwenden. Mit einem nicht genehmigungsfähigen Haushalt drohe in ihren Augen ein solcher Schaden.
„Zu lange über die eigenen Verhältnisse gelebt“ weiterlesenDas sagen die Stadträte zum Haushalt (Teil II)
In ihren Stellungnahmen zur Lage der städtischen Finanzen vertraten die Fraktionsvertreter einerseits die Haltung eines „Weiter so wie gehabt“, andererseits mahnten sie einen „ernsthaften Sparwillen“ an. Hier kommt die zweite Hälfte der Redner zum Haushaltsplan-Entwurf 2023 zu Wort:
Werner Neher (Grüne Liste) macht sich vorrangig Sorgen um die Weltlage, allem voran die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine. Doch böten, wie er meint, solche Zeiten auch die Chance, „darüber nachzudenken was wesentlich ist“. Was für ihn konkret heißt: „Wir stehen auch zur neuen Bücherei.“
Er habe „bewusst keine finanzwirksamen Anträge gestellt“, schlägt aber „kleine Verbesserungen“ vor, wie etwa, „eine Art Kulturtafel“, welche Restkarten für Veranstaltungen an Menschen gibt, „die sich das nicht leisten können“. Und er wünscht sich eine Partnerstadt in der Ukraine, um zu erfahren, wie die Menschen dort leben, nicht zuletzt auch, um den Begriff des „Sozialtourismus“ zu entkräften. Selbstkritisch befand er: „Wenn ich die schwarze Südfassade des neuen Stadtwerkegebäudes sehe, ärgere ich mich immer noch darüber, nicht früher massiver darauf gedrängt zu haben, dass dort überall Photovoltaik angebracht wird.“
„Das sagen die Stadträte zum Haushalt (Teil II)“ weiterlesen