Außergewöhnliche Frauen und mancherlei Kuriositäten der Kommunalpolitik erlebten wir in diesem Jahr in Schorndorf.
Im Januar wurde Dagmar Keller zur neuen „Sprecherin“ des Schorndorfer Frauenforums gewählt, unterstützt von Ingrid Salmann-Kapouranis und Eva Karsten. Dagmar Keller war ab 2012 zwei Jahre lang SPD-Stadträtin und nannte als eins ihrer Ziele dort: „Wir brauchen kostenfreie Kitas“.
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa gab in diesem Monat bekannt, dass das Vertrauen in Gemeinderat und Stadtverwaltung um rund zehn Prozent auf einen historischen Tiefstand gesunken ist. Demnach vertrauten nur noch rund 44 Prozent der Menschen ihrem Bürgermeister, den Parteien bundesweit sogar nur noch 17 Prozent. Wobei diese nach Ansicht der Mehrheit in der Kommunalpolitik nichts verloren hätten.
Dass die Sitzung des hiesigen Verwaltungsausschusses abgesagt wurde, steht allerdings in keinem Zusammenhang mit diesem Thema. Es habe einfach keine Themen zum Beraten gegeben, hieß es als Begründung aus dem Rathaus.
Im Februar fieberte Schorndorf zusammen mit seinen Ringern vom ASV dem Endkampf um die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft entgegen. Obwohl die Sportler knapp mit 13:14 Punkten verloren, gab es für sie einen Empfang vor dem Rathaus samt Eintrag in das Goldene Buch der Stadt – als Vizemeister.
Der Gemeinderat musste in diesem Monat die Einführung der Wettbürosteuer aus dem Jahr 2020 aufheben, weil sie illegal war. Zuvor hatte das Gremium verschärfte Regeln für die Nutzung von Kitas beschlossen, wonach Eltern eine Abmahnung erhalten, wenn sie ihr Kind später als 10 Minuten nach Ende der Betreuungszeit abholen. Außerdem, dass nach drei solcher Abmahnungen ein 1‑tägiger Ausschluss von der Betreuung erfolgt und beim nächsten Fall dieser Art das Kind gar nicht mehr kommen darf. Wobei diese neue Satzung „rückwirkend zum 1. Dezember 2022“ in Kraft trat.
Im März entdeckte die Stadtverwaltung, dass Grünen-Stadtrat Kost im Dezember bei der Abstimmung über den Zuschuss für den Kunstverein befangen gewesen war. Als „vertretungsberechtigtes“ Vorstandsmitglied hätte er nicht mit abstimmen dürfen, weil es dabei um einen Vorteil für seinen Verein ging. Das Gesetz sieht eine „Heilungsmöglichkeit“ für einen solchen Fehler vor, so dass die Abstimmung im März – korrekt ohne seine Mitwirkung – wiederholt wurde. Am Ergebnis änderte das nichts.
Am 19. März wurde der Ärztin Dr. Lisa Federle der Barbara-Künkelin-Preis verliehen. Sie hatte als Tübinger Pandemiebeauftragte ihre „rollende Arztpraxis“, mit der sie seit 2015 in und um Tübingen Geflüchtete medizinisch versorgte, zur Teststation umfunktioniert. Außerdem hatte sie nach eigenen Angaben dafür gekämpft, eine „klare Datenanalyse“ in Bezug auf Nebenwirkungen der Corona-Impfungen zu erhalten: Es könne nicht sein, dass man aus Angst vor „Querdenkern“ diese nicht in vollem Umfang erfasse.
Im April begannen die Vorbereitungen für den Bau der neuen Stadtbücherei am Archivplatz mit der Fällung von vier Bäumen vor der Meierei, die dem Projekt im Weg stehen.
Bundesweit Schlagzeilen machte Dörte Schnitzer von der hiesigen Klimaentscheid-Gruppe, die auch bei der OB-Wahl angetreten war, weil sie den Lack parkender Autos zerkratzte. Als Grund dafür nannte sie „Verzweiflung angesichts der offensichtlichen Dominanz von Autos auf Schorndorfs Straßen“ und weil der Weltklimarat erklärt hatte, wir alle müssten unseren Lebensstil sofort drastisch ändern, um als Menschen auf diesem Planeten überleben zu können.
Der Gemeinderat beschloss, die Öffnungszeiten im Ziegeleisee-Freibad in dieser Saison zu kürzen, um Geld zu sparen. Ende des Jahres wurde verkündet, dass das Sparziel nicht erreicht worden sei, so dass im kommenden Jahr wieder länger gebadet werden darf.
Im Mai wurde der Gemeinderat darüber informiert, dass die SchoWo-Macher mit dem ihnen bewilligten Zuschuss in Höhe von 111.000 Euro nicht hinkommen würden, um das Stadtfest durchzuführen. Er sollte daher weitere 39.000 Euro an Steuergeldern lockermachen, damit „generellen Steigerung der Kosten bei allen beteiligten Dienstleistern“ bezahlt werden könnten.
Das City-Management kündigte an, im Sommer auf dem Marktplatz einen „Stadtstrand“ anzulegen. Kosten: 50.000 Euro, zum Großteil durch Steuergelder aus dem Wirtschaftsministerium in Stuttgart finanziert. Die Idee ist nicht brandneu. In Paris wurde sie erstmals vor über 20 Jahren umgesetzt – direkt an der Seine.
Den Geschäftsbericht des Eigenbetriebs City-Management hatte Marietta Weil, die Leiterin vom Fachbereich Revision der Stadtverwaltung, unter die Lupe genommen und dem Gemeinderat aufgezeigt, dass sie darin „erhebliche Mehrausgaben“ gefunden habe wie auch „Differenzen“, die gegen das Kassenrecht verstießen und/oder „nicht nachvollziehbar sind“.
Auf dem Archivplatz rückten Bagger an für den Büchereineubau. Erst einmal kam aber das Landesdenkmalamt, um den Untergrund auf historisch bedeutsame Zeugnisse früherer Zeiten hin zu untersuchen. Ab 30. Mai wurde der gesamte Spitalhof für parkende Autos gesperrt.
Im Juni wurde der SPD-Politikerin Ursel Kamps als erster Frau in der Geschichte der Stadt die Ehrenbürgerwürde verliehen. Ihr Parteigenosse Rainer Brechtken bezeichnete sie in seiner Laudatio als eine Frau, „die viele ermutigt hat, mitzugestalten, ja zu kämpfen.“ Und sie habe im Gemeinderat „jeweils eine klare Position“ gehabt, ohne „mit dem Kopf durch die Wand“ zu wollen. Die so Geehrte erklärte, dass ihre Mutter, Rosa Kamm, den Titel mindestens ebenso verdient wie sie hätte. Da deren Mann, der anno 1967 ebenfalls zum Ehrenbürger ernannt worden war, ohne sie „nicht hätte leisten können, was er geleistet hat.“
Eine CDU-Frau, Iris Greiner, trat in diesem Monat von ihrem Amt als Stadträtin zurück, weil sie es mit ihrer Berufstätigkeit als selbständige Floristin zeitlich nicht mehr vereinbaren konnte. Sie war im Jahr zuvor eine von 8 Gemeinderatsmitgliedern gewesen, die gegen den Büchereineubau gestimmt hatten.
Der Gemeinderat stellte seine Empfehlungsliste aus den eingegangenen Bewerbungen für die Schöffenwahl zusammen und erhöhte die Kita-Gebühren. Außerdem stimmte er mehrheitlich dem Plan der Verwaltung zur Umgestaltung des Spitalhofs zu einem Platz mit mehr „Aufenthaltsqualität“ zu.
Zum „Sommerempfang“, der an die Stelle des früheren Neujahrsempfangs für alle Bürger getreten war, mussten sich Interessierte erstmals vorher anmelden, weil die neue Örtlichkeit der Veranstaltung, das Ziegeleisee-Freibad, nicht so viel Platz wie die Künkelinhalle bietet.
(Fortsetzung folgt)