Kommentar«
Schon seit über 20 Jahren gibt es im Sommer in Paris einen „Stadtstrand“. Jetzt ist diese Idee auch in der schwäbischen Provinz angekommen. Bei uns. Natürlich mit den notwendigen Anpassungen an die hiesigen Gegebenheiten, um nicht zu sagen Abstrichen. Während sich das französische Vorbild auf 800 Metern Länge erstreckt, sind bei uns gerade malt nur 20 Meter drin.
Aus der Not geboren, weil die Steinwüste Paris sich im Sommer sehr aufheizt, wird dort den Menschen ein bisschen Abkühlung entlang der Seine verschafft. In Schorndorf gibt es zwar auch einen Fluss, aber nicht direkt im Stadtzentrum. „Macht nichts“, denkt sich City-Manager Lars Scheel, „wir haben ja den Marktbrunnen, der plätschert auch“.
Mit dieser pragmatischen Einstellung erinnert er an Gustav Knuth als Direktor einer kleinen Wanderbühne im Film „Der Raub der Sabinerinnen“. Auch diesem war kein Problem zu groß, um es nicht hurtig zu lösen: Wir brauchen einen Pinienhain als Kulisse? – Na, da nehmen wir doch einfach den Gummibaum aus dem Wohnzimmer vom Gymnasialprofessor und setzen seinen Papagei drauf. Oder: Es fehlt an römischen Legionären? – Macht nichts, dann lassen wir die Freiwillige Feuerwehr auftreten. Die tragen auch Helme.
Der „Stadtstrand“ von Schorndorf wird, wie die Theatervorstellung in diesem Film zu einem Erfolg werden: nämlich als Lacher der Saison. Schorndorf stellt damit (wieder einmal) meisterlich unter Beweis, wie man sich mit größtmöglichem Aufwand zum Gespött machen kann. Sand ohne Ufer ist nun mal kein Strand.
Schwäbisch ordentlich mit Holz eingerahmt, damit kein Körnchen verlorengeht, kommt da garantiert kein Strandgefühl auf – selbst mit noch so vielen Drinks von der „Strandbar“. Dieses Projekt ist, sagen wir es ehrlich, nicht mehr als ein großer Sandkasten. Böse Zungen sprechen sogar bereits von „Hundeklo“. Seit Jahren baut Schwäbisch Gmünd einen „Sommerspielplatz“ vor seinem Rathaus auf. Aber eben in ganz anderen Dimensionen und mit Spielgeräten. Schorndorf äfft wieder einmal einfach nur nach.
Wann wird das Citymanagement endlich erkennen, wie peinlich es ist, Ideen aus großen Städten zu kopieren, ohne deren Möglichkeiten zu haben? Im verzweifelten Bemühen, nicht als provinziell zu gelten, betont man genau das: mangelndes Selbstbewusstsein.
Denn Schorndorf hat ja tatsächlich viel Einzigartiges zu bieten. Allem voran ein Freibad mit einem 100 Meter langen Becken, gespeist aus natürlichen Quellen, was weit und breit seinesgleichen suchen kann. Offenbar ist man hier betriebsblind, und sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Denn wenn angesichts des Klimawandels Kühlung das Gebot der Stunde ist, warum reduziert man dessen Öffnungszeiten? Und: Warum liegt der Brunnen im Finanzamtshofs trocken?
Besser, als 20.000 Euro in den Sand zu setzen, wäre es, Schorndorf schlösse sich der „Cittàslow“-Bewegung an. Dort tun sich Städte zusammen, die erkannt haben, wie man mit Originalität punktet, mit ihren „eigenen und speziellen Werten“. Das sind Kommunen, die ihren bestehenden Reiz nicht durch aufgepfropften Schnickschnack zerstören, die nicht unsere Steuergelder dafür verpulvern, um einem Modetrend hinterherzulaufen – und das im wahrsten Wortsinn. Nämlich um Jahre.