Gruppendruck im Gemeinderat

Wer sich fragt, wie es zu gra­vie­ren­den Fehl­ent­schei­dun­gen im Ge­mein­de­rat kom­men kann, muss sich vor Au­gen hal­ten, dass dort auch nur Men­schen sit­zen. Und: Dass die­ses Gre­mium auch nur eine Gruppe wie jede an­dere ist, in der un­be­wusste Grup­pen­zwänge herr­schen. Hinzu kommt ein Phä­no­men, das So­zi­al­psy­cho­lo­gen als „Hid­den Pro­files“ be­zeich­nen, weil we­sent­li­che Ar­gu­mente schlicht nicht aus­ge­tauscht wer­den.

Ge­gen den sehr am­bi­tio­nier­ten Bau ei­ner Stadt­halle vor über 40 Jah­ren in Schorn­dorf gab es im da­ma­li­gen Ge­mein­de­rat nur eine ein­zige Ge­gen­stimme: die von Stadt­rat Hel­mut Schwarz. In Krei­sen der SPD, so wurde in spä­te­ren In­ter­views an­ge­ge­ben, sei man auch eher skep­tisch dazu ein­ge­stellt ge­we­sen. Al­ler­dings schlug sich dies of­fen­sicht­lich nicht in de­ren Ab­stim­mungs­ver­hal­ten nie­der.

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So stirbt ein Prestigeprojekt

Vor 40 Jahre war der Traum von ei­ner 50-Mil­lio­nen-Mark teu­ren Stadt­halle in Schorn­dorf end­gül­tig ge­platzt. Das ganze Pro­jekt scheint von An­fang an ver­korkst ge­we­sen zu sein, wie drei Gym­na­si­as­ten bei ih­rer Re­kon­struk­tion der Vor­gänge auf­ge­zeigt ha­ben. In Band 26 der Schorn­dor­fer Hei­mat­blät­ter ha­ben sie ihre Re­cher­che aus­führ­lich dar­ge­legt.

Von den Hö­hen­flü­gen des da­ma­li­gen Ober­bür­ger­meis­ters Ru­dolf Bay­ler samt sei­nem 50-köp­fi­gen Ge­mein­de­rat blieb nur die be­reits aus­ge­bag­gerte Bau­grube üb­rig, die schließ­lich voll Grund­was­ser lief. So schaffte sie es als „Lago bla­ma­bile“ so­gar in die Bild-Zei­tung. Dort mo­kierte man sich über den „teu­ers­ten See Deutsch­lands“, weil bis da­hin be­reits 5,3 Mil­lio­nen Mark an Steu­er­gel­dern ver­pul­vert wor­den wa­ren.

Die Au­toren Do­mi­nik Da­vid, Mar­cel Schind­ler und Mar­tin Abt schluss­fol­gern in ih­rer Ar­beit, dass der Stadt­hal­len­skan­dal ein Lehr­stück sei: „Schorn­dorf selbst lernte aus die­sem Skan­dal und wird in Zu­kunft ge­nauer auf­pas­sen, wenn Groß­pro­jekte ge­plant wer­den.“

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April! April!

Kurz­mel­dung
Die gest­rige Mel­dung über das Pro­jekt „Scho kor­rekt“ war ein April­scherz. Sämt­li­che An­ga­ben und Zi­tate darin sind aus­nahms­los frei er­fun­den, Ähn­lich­kei­ten zu an­de­ren kommunalpoliti­schen Vor­gän­gen rein zu­fäl­lig be­ab­sich­tigt.

Im vo­ri­gen Jahr hatte das „Schorn­dor­fer On­line-Blatt“ als April-Scherz die Kan­di­da­tur von Bri­gitte Al­din­ger zur Wahl des neuen Stadt­ober­haupts ver­kün­det. Nach­dem diese, wie sie sagt, dar­auf­hin sehr viel Zu­spruch er­hielt, ent­schloss sie sich, tat­säch­lich zu kan­di­die­ren.

Seien wir also ge­spannt, was mit dem Pro­jekt „Scho kor­rekt“ noch pas­sie­ren wird.

Projekt „Scho korrekt“ startet heute

Nach­dem sich der Welt­kon­zern „Zu­rich  Ver­si­che­rung“ vom „Z“ in sei­nem Logo trennt, weil rus­si­sche Sol­da­ten die­ses Zei­chen auf ihre Pan­zer ma­len, will Schorn­dorf eben­falls nicht zu­rück­ste­hen mit sei­ner So­li­da­ri­täts­be­kun­dung. Die Stadt solle im Rems-Murr-Kreis Vor­rei­ter sein in Sa­chen po­li­ti­scher Kor­rekt­heit, er­klärt Ober­bür­ger­meis­ter Bernd Hornikel, und ruft da­her am heu­ti­gen Frei­tag, 1. April, das Pro­jekt „Scho kor­rekt“ ins Le­ben.

Eine ei­gens ein­ge­rich­tete, fach­be­reichs­über­grei­fende Ar­beits­gruppe nehme sich ab so­fort die­ses heik­len The­mas an. Un­ter­stützt werde sie von zwei ex­ter­nen Be­ra­ter­fir­men. Gleich­zei­tig setzt Hornikel aber auch auf die „en­ga­gierte Bür­ger­schaft“, wie er sagt, die dem Rat­haus mel­den möge, wo Hand­lungs­be­darf be­steht.

Als ers­tes gehe es um den Zen­tra­len Om­ni­bus­bahn­hof (ZOB) und die Zen­tra­len Dienste der Stadt. Hornikel will sich hier für ein mög­lichst un­kom­pli­zier­tes Vor­ge­hen ein­set­zen, schlägt vor, das „Z“ ein­fach durch ein „C“ zu er­set­zen, und ver­weist in die­sem Zu­sam­men­hang auf die Or­tho­gra­phi­sche Kon­fe­renz von 1901 in Ber­lin. Er er­klärt, dass das Fremd­wort „cen­tral“ frü­her so­gar aus­schließ­lich mit „C“ ge­schrie­ben wurde.

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Bücherei-Bau soll beschlossen werden

Kurz­mel­dung
Nächste Wo­che soll der Ge­mein­de­rat dem Bau der neuen Stadt­bü­che­rei am Ar­chiv­platz zu­stim­men, und zwar zum „ga­ran­tier­ten Ma­xi­mal­preis“ in Höhe von 8, 5 Mil­lio­nen Euro, wie im An­trag der Ver­wal­tung steht. Der „Ge­samt­auf­wand“ al­lein für die Bau­kos­ten wird frei­lich auf Seite 6 in der Be­schluss­vor­lage mit 10,25 Mil­lio­nen Euro be­zif­fert, näm­lich „inkl. Si­cher­heits­puf­fer für Un­vor­her­ge­se­he­nes“. Vor sechs Jah­ren hatte der Kos­ten­de­ckel für das Pro­jekt noch bei 6 Mil­lio­nen Euro ge­le­gen. Das Ar­chi­tek­ten­büro Ip­po­lito Fleitz reichte dar­auf­hin ei­nen Ent­wurf ein, der be­reits 7 Mil­lio­nen Euro kos­ten sollte, und der vom Ge­mein­de­rat er­ko­ren wurde.

Die Ver­wal­tung rech­net mit Zu­schüs­sen in Höhe von 5,28 Mil­lio­nen Euro aus dem För­der­topf „West­stadt II“, die vom Land Ba­den-Würt­tem­berg „in Aus­sicht ge­stellt“ seien. Die Schorn­dor­fer Firma Schatz soll als Ge­ne­ral­über­neh­mer mit der Durch­füh­rung des Pro­jekts be­auf­tragt wer­den. Das Thema Bü­che­rei-Neu­bau steht in der Ge­mein­de­rats­sit­zung am Don­ners­tag, 7. April, als Punkt 8 von ins­ge­samt 10 auf der Ta­ges­ord­nung.

Auf die Frage „Be­stehen Aus­wir­kun­gen auf das Klima?“ wird in der Sit­zungs­vor­lage an­ge­ge­ben: „Ge­ring­fü­gige Aus­wir­kun­gen“ beim ge­plan­ten Be­ton-An­bau „durch zu­sätz­li­chen Flä­chen­ver­brauch und Ge­bäu­de­her­stel­lung“ – ohne dass da­bei auch die bei­den Bäume, die des­halb dort ge­fällt wer­den müs­sen, an­ge­führt sind. Diese „ne­ga­ti­ven Aus­wir­kun­gen auf das Klima“ wolle man aus­glei­chen „durch Ver­wen­dung von nach­hal­ti­gen und/​oder re­cy­cel­ten Bau­ma­te­ria­lien“.

Verloren gegangener Naturschatz

Die Uh­land­straße im Ok­to­ber 2011

Ge­denk­tag
Zu dem auf heute vor­ver­leg­ten Tag des Bau­mes ge­den­ken wir der 22 Lin­den in der Uh­land­straße, die vor neun Jah­ren dem Stra­ßen­bau zum Op­fer fie­len. Bis zu 80 Jahre alt wa­ren sie, so ge­nannte „vi­tale Groß­bäume“, drei von ih­nen et­was ma­rode. Trotz hef­ti­ger Dis­kus­sio­nen in der Bür­ger­schaft konn­ten in der Ge­mein­de­rats­sit­zung laut Pro­to­koll (ab Seite 7) 13 Rä­tIn­nen, die die­sen Na­tur­schatz er­hal­ten woll­ten, ihre rest­li­chen 18 Kol­le­gIn­nen nicht vom Wunsch nach Fäl­lung der Lin­den ab­brin­gen.

Die Uh­land­straße heute
„Ver­lo­ren ge­gan­ge­ner Na­tur­schatz“ wei­ter­le­sen

Erinnerungen an „die Christel“

Kurz­mel­dung
Silke Sci­voli weiß noch gut, wie es bei den Dreh­ar­bei­ten des SDR in der „Be­cka-Kurze“ im Jahr 1986 war. Sie ar­bei­tete da­mals in der Kü­che mit Ha­rald Schaale zu­sam­men. Jetzt schrieb sie mir: „Was hat­ten wir ei­nen Spaß, die Fern­seh­leute zu är­gern, weil die so ar­ro­gant wa­ren!“ Ganz kon­kret: „Ha­rald hatte eine heiße Pfanne in die Spüle ge­wor­fen und der ganze Dampf zog auf die Het­zel­gasse, wo sie ge­rade dreh­ten. – Gut, wir muss­ten dann das Fens­ter schlie­ßen und den Roll­la­den auch. Aber lus­tig war es!“ Sie er­in­nere sich gerne an diese Zeit: „Un­ser Team war spitze!“

Als Chris­tel Lan­gen­bach im Som­mer 1998 ihre Wirt­schaft schloss, schrieb ihr der da­ma­lige Ober­bür­ger­meis­ter, Win­fried Kü­b­ler: „Mit Weh­mut sehe ich Sie aus Schorn­dorf schei­den.“ Es sei ihm ein An­lie­gen, ihr „für al­les herz­lich zu dan­ken, was Sie für den gu­ten Ruf un­se­rer Stadt, de­ren Gast­lich­keit und idyl­li­schen Reiz mit Ih­rem Wirt­schäftle ge­tan“ habe. Zum Ab­schied über­reichte er ihr ein Schorn­dor­fer Wein­krügle – in dem sie ihre „Trän­chen der Weh­mut“ sam­meln könne, wenn sie an die al­ten Zei­ten denke. „Be­stim­mend für Ihr wei­te­res Le­ben soll aber der Froh­sinn sein, mit dem Sie sich selbst stets be­glück­ten und Ihre Gäste daran teil­ha­ben lie­ßen.“

Wer sich an ent­spre­chende An­ek­do­ten, nette Be­ge­ben­hei­ten oder Er­leb­nisse mit Chris­tel und in der „Be­cka-Kurze“ er­in­nert: Schrei­ben Sie an (E‑Mail öff­nen)! Ich ver­öf­fent­li­che diese gerne, um sie so­wohl mit an­de­ren zu tei­len, als auch, um da­mit die Er­in­ne­run­gen an „die Chris­tel“ le­ben­dig zu hal­ten.

Wenn alles teurer wird

Kom­men­tar
Bü­cher sind Grund­nah­rungs­mit­tel. Ohne sie kön­nen wir nicht le­ben. Sie ver­mit­teln Wis­sen, sie näh­ren die Seele mit Poe­sie, sie hel­fen durch mut­ma­chende Ge­schich­ten, dass wir uns sol­cher­art ge­stärkt für das Gute im All­tag ein­set­zen kön­nen. Wenn der Ge­mein­de­rat dem­nächst über den Neu­bau der Stadt­bü­che­rei ent­schei­den soll, gilt es, dies zu be­den­ken. Da­bei muss frei­lich sau­ber un­ter­schie­den wer­den zwi­schen Bü­chern und Bau­werk.

Dass an­ge­sichts star­ker Preis­stei­ge­run­gen für Roh­stoffe und En­er­gie die ver­an­schlag­ten Kos­ten für den Bau kei­nes­falls ge­hal­ten wer­den kön­nen, ist ja in­zwi­schen wohl so klar wie das Amen in der Kir­che. Was wird also pas­sie­ren? Es müss­ten, um das aus­zu­glei­chen, not­ge­drun­gen bil­li­gere Ma­te­ria­lien ver­wen­det wer­den. Dass man diese dann nach kur­zer Zeit er­set­zen muss, wäre die Kon­se­quenz. Das Pro­blem wäre nur ver­scho­ben. Die Ze­che zah­len wir mit un­se­ren Steu­ern.

Die an­dere Schraube, an der ein Ge­ne­ral­über­neh­mer dre­hen kann, sind die Hand­wer­ker. Um den Fix­preis zu hal­ten, führt kein Weg dran vor­bei, dass er sie aus­beu­ten muss. Dass er kei­nen Cent von den Mehr­kos­ten, die die­sen hart ar­bei­ten­den Men­schen ent­ste­hen, über­neh­men wird. Kön­nen un­sere Stadt­rä­tIn­nen al­len Erns­tes, kann un­sere Ver­wal­tungs­spitze se­hen­den Au­ges eine sol­che Be­hand­lung mo­ra­lisch ver­ant­wor­ten?

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Die „Becka-Kurze“ ist gestorben

Chris­tel Kohnle 1988

Nach­ruf
„Und wer sind Sie?“ wurde Chris­tel Kohnle vom Auf­nah­me­lei­ter des SDR et­was un­freund­lich an­ge­spro­chen, als sie ihm in der „Be­cka-Kurze“ über den Weg lief. An die­sem Tag im Mai 1986 drehte das Fern­seh­team dort eine Szene über Ro­bert Bosch, hatte sich die urige Kneipe in Schorn­dorfs Alt­stadt als Ku­lisse er­ko­ren. „I be zu­fäl­lig d‘ Wir­tin“, kon­terte Chris­tel schlag­fer­tig und brachte den Mann zum Ver­stum­men.

Ihr klei­nes Wirt­schäftle war nicht nur ein op­ti­sches Ju­wel für die Fern­seh­leute. Auch für die Schorn­dor­fer war es 17 Jahre lang et­was ganz Be­son­de­res, das sei­nes­glei­chen sucht. Der Grund da­für: Weil auch Chris­tel Kohnle et­was ganz Be­son­de­res war. Mit 25 Jah­ren er­füllte sich die ge­bür­tige Welz­hei­me­rin hier den Traum von ei­nem ei­ge­nen Lo­kal. Sie stammt aus ei­ner Wirts­fa­mi­lie, lernte Kö­chin und Ho­tel­kauf­frau.

Als sie die „Be­cka-Kurze“ im Som­mer 1981 er­öff­nete, war es äu­ßerst un­ge­wöhn­lich, dass eine Frau, dazu noch al­lein­ste­hend, sich auf diese Weise selb­stän­dig machte. Ihre Mut­ter hatte ihr das Holz­tä­fel­chen mit dem Spruch „Wer die Wir­tin kränkt, wird auf­ge­hängt“ ge­schenkt. Es amü­sierte die Kund­schaft, und es half ihr, sich Re­spekt zu ver­schaf­fen. So wurde sehr schnell aus dem Ge­heim­tipp eine In­sti­tu­tion in Schorn­dorf.

„Die „Be­cka-Kurze“ ist ge­stor­ben“ wei­ter­le­sen
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