So stirbt ein Prestigeprojekt

Vor 40 Jahre war der Traum von ei­ner 50-Mil­lio­nen-Mark teu­ren Stadt­halle in Schorn­dorf end­gül­tig ge­platzt. Das ganze Pro­jekt scheint von An­fang an ver­korkst ge­we­sen zu sein, wie drei Gym­na­si­as­ten bei ih­rer Re­kon­struk­tion der Vor­gänge auf­ge­zeigt ha­ben. In Band 26 der Schorn­dor­fer Hei­mat­blät­ter ha­ben sie ihre Re­cher­che aus­führ­lich dar­ge­legt.

Von den Hö­hen­flü­gen des da­ma­li­gen Ober­bür­ger­meis­ters Ru­dolf Bay­ler samt sei­nem 50-köp­fi­gen Ge­mein­de­rat blieb nur die be­reits aus­ge­bag­gerte Bau­grube üb­rig, die schließ­lich voll Grund­was­ser lief. So schaffte sie es als „Lago bla­ma­bile“ so­gar in die Bild-Zei­tung. Dort mo­kierte man sich über den „teu­ers­ten See Deutsch­lands“, weil bis da­hin be­reits 5,3 Mil­lio­nen Mark an Steu­er­gel­dern ver­pul­vert wor­den wa­ren.

Die Au­toren Do­mi­nik Da­vid, Mar­cel Schind­ler und Mar­tin Abt schluss­fol­gern in ih­rer Ar­beit, dass der Stadt­hal­len­skan­dal ein Lehr­stück sei: „Schorn­dorf selbst lernte aus die­sem Skan­dal und wird in Zu­kunft ge­nauer auf­pas­sen, wenn Groß­pro­jekte ge­plant wer­den.“

Be­reits im Vor­feld seien Be­den­ken vor al­lem aus der SPD-Frak­tion ge­kom­men, gab Stadt­rat Karl Otto Völ­ker ih­nen in ei­nem In­ter­view zu Pro­to­koll. So habe er etwa ge­fürch­tet, dass an­ge­sichts der ho­hen Bau­kos­ten „Schu­len und öf­fent­li­che Ge­bäude nicht mehr be­zahl­bar sein wür­den“. Auch sei die­ses Pro­jekt „et­was grö­ßen­wahn­sin­nig“ ge­we­sen. Sein Frak­ti­ons­kol­lege Frie­der Stöckle mahnte mit Blick auf die spä­ter fol­gen­den Un­ter­halts­kos­ten, dass die Aus­ga­ben für die lo­kale Kul­tur zu­rück­ge­stuft wer­den könn­ten, wo­bei er so­wohl die Ma­nu­fak­tur im Blick hatte, als auch das Pro­gramm in der neuen Stadt­halle selbst, für das dann nur noch „dritt­klas­sige“ Mu­si­ker be­zahl­bar wä­ren.

Im Ja­nuar 1978 schrieb die Ver­wal­tung ei­nen Ar­chi­tek­ten­wett­be­werb für die Stadt­halle aus, bei dem 45 Ein­sen­dun­gen ein­ge­reicht wur­den, dar­un­ter auch eine vom Schorn­dor­fer Ar­chi­tekt Ul­rich Schatz, der zu­gleich Mit­glied des Ge­mein­de­rats war. Sein Ent­wurf lag mit rund 20,5 Mil­lio­nen Mark gut 2 Mil­lio­nen Mark über dem des Ar­chi­tek­ten Veit Gme­lich aus Geis­lin­gen. Die Fach­jury hatte letz­te­ren als Sie­ger des Wett­be­werbs er­ko­ren, der Ent­wurf von Ul­rich Schatz schaffte es auf Platz 5. Doch dann setzte sich der Ge­mein­de­rat über das Ur­teil der Jury hin­weg und be­schloss am 31. Au­gust 1978, den Rats­kol­le­gen mit dem Pro­jekt zu be­trauen.

Die SPD-Frak­tion war em­pört, und ver­teilte ein Flug­blatt, auf dem stand: „Dies ha­ben wir den­je­ni­gen im Ge­mein­de­rat zu ver­dan­ken, die vor al­lem ihre, aber nicht die In­ter­es­sen der Bür­ger ver­tre­ten.“ Per Le­ser­briefe wur­den „selt­same Bräu­che“ in Schorn­dorf mo­niert. Und auf dem Markt­platz fand eine De­mons­tra­tion statt, bei der die „Bür­ger­nähe“ zu Grabe ge­tra­gen wurde. Ein Bür­ger­ent­scheid wurde ge­for­dert. Doch meinte Haupt­amts­lei­ter Rolf Rom­mel zu je­nem Zeit­punkt: „Heute lässt sich das Rad ohne Scha­den nicht mehr zu­rück­dre­hen.“

Be­reits drei Wo­chen spä­ter gab Ul­rich Schatz al­ler­dings von sich aus den ihm er­teil­ten Auf­trag zu­rück, sah „Neid­kom­plexe“ als Ur­sa­che bei sei­nen Kri­ti­kern und be­tonte in ei­ner öf­fent­li­chen Stel­lung­nahme am 21. Sep­tem­ber 1978 in der Zei­tung: „Gu­tes pla­ne­ri­sches Ein­füh­lungs­ver­mö­gen, wirt­schaft­li­che Über­le­gun­gen in Plan und Aus­füh­rung so­wie kurze Bau­zei­ten sind die Stär­ken mei­nes Bü­ros“.

In der dar­auf­fol­gen­den Ge­mein­de­rats­sit­zung stimm­ten 26 Stadt­räte samt Ober­bür­ger­meis­ter Bay­ler da­für, die Stadt­halle nach den Plä­nen von Veit Gme­lich zu bauen. Ul­rich Schatz und drei wei­tere Räte fehl­ten in die­ser Sit­zung. Eine ein­zige Ge­gen­stimme er­hob sich: Hel­mut Schwarz. Er be­an­tragte, ei­nen Bür­ger­ent­scheid durch­zu­füh­ren. Doch FDP-Stadt­rat Pe­ter Erd­mann sah ei­nen sol­chen als pro­ble­ma­tisch an, weil „die gan­zen Kennt­nisse, die drum herum not­wen­dig sind, um so was be­ur­tei­len zu kön­nen, die kann man sehr schwer ver­mit­teln.“

Hel­mut Schwarz, von Be­ruf Kauf­mann, be­auf­tragte dar­auf­hin ei­nen neu­tra­len Ar­chi­tek­ten mit der Über­prü­fung der Kos­ten. In Hans Pe­ter Bur­chards Ar­ti­kel vom 20. Sep­tem­ber 1978 in den „Schorn­dor­fer Nach­rich­ten“ wa­ren die ur­sprüng­lich an­ge­ge­be­nen Kos­ten von 18,2 Mil­lio­nen Mark be­reits auf 31,2 Mil­lio­nen Mark an­ge­stie­gen. Nach ei­ner spä­te­ren „Kos­ten­schät­zung“ vom 10. Mai 1979 wurde das Pro­jekt so­gar mit 42,24 Mil­lio­nen Mark ver­an­schlagt. Da­bei wurde ar­gu­men­tiert, dass zu­vor die Grund­stücks- und Er­schlie­ßungs­kos­ten noch nicht mit ein­ge­rech­net ge­we­sen seien.

Als Stadt­rat Schwarz ei­nen so­for­ti­gen Pla­nungs­stopp for­derte, sprach sich sein Rats­kol­lege Ernst La­chen­maier na­mens der Frak­tion „Freie Wäh­ler“ strikt da­ge­gen aus, denn „eine Neu­pla­nung brächte uns eine klei­nere Halle zum teu­re­ren Preis.“ Als Schwarz spä­ter auf die Un­ge­reimt­heit hin­wies, dass Roh­bau­ar­bei­ten für 19 Mil­lio­nen Mark ver­ge­ben wor­den seien, je­doch im Haus­halt nur 1 Mil­lion Mark ein­ge­plant war, ver­klagte ihn Ober­bau­rat Paul Busch, der die Be­haup­tung, er hätte fal­sche Zah­len wei­ter­ge­ge­ben, nicht auf sich sit­zen las­sen wollte.

Von Ober­bür­ger­meis­ter Bay­ler wurde Schwarz des­we­gen als Un­ru­he­stif­ter ti­tu­liert: „Herr Schwarz, es geht nicht um Ihre Sach­bei­träge, son­dern um Ihre un­qua­li­fi­zier­ten, ver­let­zen­den und ehr­be­lei­di­gen­den Vor­würfe.“

Im Sep­tem­ber 1980 ge­neh­migte das Re­gie­rungs­prä­si­dium Stutt­gart den Be­bau­ungs­plan, so dass be­reit ab 2. Ok­to­ber die Roh­bau­ar­bei­ten hät­ten ver­ge­ben wer­den kön­nen und der Bau­be­ginn auf 3. No­vem­ber fest­ge­legt wurde. Be­schwer­den von An­lie­gern, die we­gen ei­ner Zu­nahme des Ver­kehrs durch die Halle Lärm­be­läs­ti­gun­gen be­fürch­te­ten, hat­ten beim Ge­mein­de­rat bis dato kein Ge­hör ge­fun­den.

Ende Fe­bruar 1981 wur­den dann die Bau­ar­bei­ten dann doch „vor­erst ge­stoppt“, weil der Be­bau­ungs­plan vom Ver­wal­tungs­ge­richts­hof in Mann­heim als „nicht recht­mä­ßig“ an­ge­se­hen wurde. Grund: Die ge­naue Ab­gren­zung des Bau­ge­biets sei nicht de­fi­niert wor­den. In ei­nem ent­spre­chen­den Zei­tungs­be­richt wa­ren die Kos­ten für den Bau mitt­ler­weile auf über 50 Mil­lio­nen Mark ge­klet­tert. Der Haus­halts­plan der Stadt um­fasste da­mals 111 Mil­lio­nen Mark, konnte aber nicht ab­ge­seg­net wer­den we­gen des noch schwe­ben­den Ver­fah­rens durch die An­lie­ger­klage. Stadt­rä­tin Ur­sula Oboth von den Grü­nen er­klärte dazu: „Wir brau­chen zwar eine Stadt­halle, doch nicht um die­sen Preis.“

Als Re­gie­rungs­prä­si­dent Man­fred Bul­ling kurz dar­auf die Bau­ge­neh­mi­gung zu­rück­zog, rich­tete der Ge­mein­de­rat Schorn­dorf ei­nen Un­ter­su­chungs­aus­schuss zum Thema Stadt­halle ein. Doch wollte das Gre­mium sei­nen Ober­bür­ger­meis­ter darin nicht als Vor­sit­zen­den ak­zep­tie­ren, weil es ihn für be­fan­gen hielt. Dar­auf­hin klagte der OB vor dem Ver­wal­tungs­recht Stutt­gart ge­gen sei­nen ei­ge­nen Ge­mein­de­rat. Hinzu ka­men Zwis­tig­kei­ten zwi­schen OB und sei­nem Ers­ten Bür­ger­meis­ter Hans Pe­ter Grei­ner, der er­klärte, er habe von An­fang an vor dem Pro­jekt ge­warnt, was Bay­ler ve­he­ment be­stritt. Grei­ner kan­di­dierte üb­ri­gens im Jahr dar­auf bei der Wahl für die Nach­folge von OB Bay­ler.

Der Ge­mein­de­rat wollte dann schließ­lich doch eine klei­nere Stadt­halle für 25 Mil­lio­nen Mark er­stel­len. Aber auch die­ser Be­trag sollte kurz dar­auf be­reits um 3,5 Mil­lio­nen Euro über­schrit­ten wer­den. Über letzte Schar­müt­zel vor Ge­richt, wo Schul­dige aus­ge­macht wer­den soll­ten, aber kei­nem et­was an­ge­hängt wer­den konnte, ver­san­dete das Thema ir­gend­wann. In der Zeit­schrift „Steu­er­zah­ler“ stand zu le­sen, dass 5,3 Mil­lio­nen Mark an Steu­er­gel­dern im „Stadt­hal­len­see“ ver­senkt wor­den wa­ren. Für wei­tere 175.000 Mark wurde noch eine Zeit lang das Grund­was­ser aus dem Bau­loch ab­ge­pumpt.  Ende 1983 ließ Bay­lers Nach­fol­ger, Ober­bür­ger­meis­ter Rein­hard Hanke, die Grube teil­weise zu­schüt­ten, was noch ein­mal 700.000 Mark kos­tete.

Als „Stadt­hal­len­see“ be­zeich­net, blieb durch diese Grube der kom­mu­nal­po­li­ti­sche Skan­dal jahr­zehn­te­lang in Schorn­dorfs Ge­dächt­nis. Vor ei­nige Zeit wurde das Ge­lände drum­herum in „Stadt­park“ um­be­nannt, und sein Kern­stück in „Park­see“.

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