Wenn alles teurer wird

Kom­men­tar
Bü­cher sind Grund­nah­rungs­mit­tel. Ohne sie kön­nen wir nicht le­ben. Sie ver­mit­teln Wis­sen, sie näh­ren die Seele mit Poe­sie, sie hel­fen durch mut­ma­chende Ge­schich­ten, dass wir uns sol­cher­art ge­stärkt für das Gute im All­tag ein­set­zen kön­nen. Wenn der Ge­mein­de­rat dem­nächst über den Neu­bau der Stadt­bü­che­rei ent­schei­den soll, gilt es, dies zu be­den­ken. Da­bei muss frei­lich sau­ber un­ter­schie­den wer­den zwi­schen Bü­chern und Bau­werk.

Dass an­ge­sichts star­ker Preis­stei­ge­run­gen für Roh­stoffe und En­er­gie die ver­an­schlag­ten Kos­ten für den Bau kei­nes­falls ge­hal­ten wer­den kön­nen, ist ja in­zwi­schen wohl so klar wie das Amen in der Kir­che. Was wird also pas­sie­ren? Es müss­ten, um das aus­zu­glei­chen, not­ge­drun­gen bil­li­gere Ma­te­ria­lien ver­wen­det wer­den. Dass man diese dann nach kur­zer Zeit er­set­zen muss, wäre die Kon­se­quenz. Das Pro­blem wäre nur ver­scho­ben. Die Ze­che zah­len wir mit un­se­ren Steu­ern.

Die an­dere Schraube, an der ein Ge­ne­ral­über­neh­mer dre­hen kann, sind die Hand­wer­ker. Um den Fix­preis zu hal­ten, führt kein Weg dran vor­bei, dass er sie aus­beu­ten muss. Dass er kei­nen Cent von den Mehr­kos­ten, die die­sen hart ar­bei­ten­den Men­schen ent­ste­hen, über­neh­men wird. Kön­nen un­sere Stadt­rä­tIn­nen al­len Erns­tes, kann un­sere Ver­wal­tungs­spitze se­hen­den Au­ges eine sol­che Be­hand­lung mo­ra­lisch ver­ant­wor­ten?

Der ge­plante Be­ton-Bau am Ar­chiv­platz

Im schlimms­ten Fall ha­ben wir am Ende ei­nen schö­nen Neu­bau, aber kein Geld mehr für Bü­cher. Wie sagte OB Hornikel bei sei­ner An­tritts­rede so tref­fend: „Je­der Euro kann nur ein­mal aus­ge­ge­ben wer­den.“ Das be­deu­tet, dass wir am Ar­chiv­platz dann wo­mög­lich eine Geis­ter­bi­blio­thek ha­ben wer­den, so wie es Geis­ter­städte in Ame­rika gibt: statt vol­ler Le­ben nur öde und leer. Weil kein Geld für Bü­cher da ist. Er­schwe­rend kom­men für de­ren An­schaf­fung die in die­ser Bran­che näm­lich eben­falls stei­gen­den Roh­stoff­kos­ten hinzu. Die Ver­lage stöh­nen jetzt schon: Der Preis für Pa­pier ist bin­nen kur­zem be­reits zwei­mal um 50 Pro­zent ge­stie­gen. Die­ser Um­stand wird den Trend zum E‑Books ra­sant be­schleu­ni­gen.

Das Ge­bäude-En­sem­ble steht un­ter Denk­mal­schutz

Ein klu­ger Ge­mein­de­rat passt sich den ver­än­der­ten Ge­ge­ben­hei­ten an, statt stur an Be­schlüs­sen fest­zu­hal­ten, die mit der ak­tu­el­len Rea­li­tät nicht mehr ver­ein­bar sind. Erst recht, wenn es nicht nur um die ge­wis­sen­hafte Ver­wal­tung der hart er­ar­bei­te­ten Steu­er­gel­der geht, son­dern, wie in die­sem Fall, auch noch um die Be­wah­rung ei­nes ho­hen Werts in der Stadt: der his­to­ri­sche En­sem­ble­schutz. Un­se­ren Ar­chiv­platz durch ei­nen hy­per­mo­der­nen Be­ton­klotz zu ver­schan­deln, ist an sich schon ein Ver­bre­chen. Wenn der an­ge­nom­mene Nut­zen jetzt noch im­mer frag­wür­di­ger wird, ist dies umso ver­werf­li­cher.

In den 70-er-Jah­ren gab es ei­nen Trend, in Alt­städ­ten die al­ten Fach­werk­häu­ser ab­zu­rei­ßen und durch „schi­cke“ Be­ton­bau­ten zu er­set­zen. Das „Markt­drei­eck“ in Waib­lin­gen ist ein Bei­spiel da­für. Dort wird der da­ma­lige Bau­be­schluss in­zwi­schen bit­ter be­reut. Erst in den 80-er-Jah­ren hat man all­ge­mein den ho­hen und un­wie­der­bring­li­chen Wert al­ter ge­wach­se­ner Struk­tu­ren er­kannt und seit­her ge­wür­digt. Für Waib­lin­gen war es zu spät. Dass un­ser Schorn­dorf von sol­chen Bau­sün­den ver­schont blieb, lag, wie man er­zählt, daran, dass der Ge­mein­de­rat sehr zer­strit­ten war. Über die lan­gen Dis­pute ver­strich ge­nü­gend Zeit, bis all­ge­mein er­kannt wurde, dass zu viel Be­ton nicht gut ist.

Also bitte, liebe Stadt­rä­tIn­nen: Strei­tet noch mög­lichst lange wei­ter! Bis auch beim Let­zen an­ge­kom­men ist, dass wir uns den Bü­che­r­eineu­bau so, wie mo­men­tan vor­ge­se­hen, nicht leis­ten kön­nen: we­der fi­nan­zi­ell, noch städ­te­bau­lich, noch mo­ra­lisch. Bitte strei­tet! Strei­tet! Strei­tet!

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