Gedenktag«
Zum heutigen Internationalen Frauentag fragen wir, was es braucht, um ein freies, befriedigendes, glückliches Leben als Frau zu führen. Dazu lassen wir Clarissa Pinkola Estés, die Autorin von „Die Wolfsfrau“, zu Wort kommen. Darin schreibt sie:
„Gestehen wir es uns zu. Wir Frauen errichten ein Mutterland: eine jede mit ihrem eigenen Grundstück, das sie einer Traumnacht, einem harten Arbeitstag abgerungen hat. Wir dehnen diesen Boden in immer weiteren Bögen aus, langsam, ganz langsam. Eines Tages wird es ein durchgehendes Land sein, ein wiedererwecktes Land, von den Toten auferstanden. Mundo de la Madre, die psychische Mutterwelt, die gleichzeitig und ebenbürtig mit allen anderen Welten existiert.
Diese Welt ist aus unser aller Leben entstanden, aus unseren Tränen, unserem Lachen, aus unseren Knochen. Sie ist eine Welt, die es wert ist, sie zu erschaffen, eine Welt, in der zu leben sich lohnt, eine Welt, in der die Begriffe „wild“ und „gesund“ als Grundhaltung vorherrschen.
Wir nutzen unseren Verstand, unser Leben, unsere Seelen, um Intuition und Imagination wieder zurückzurufen, um die Wilde Frau zurückzurufen. Und sie kommt.
Wenn es eines Wandels bedarf, so sind wir dieser Wandel. Wir alle tragen La Que Sabe, die Wissende, in uns. Wenn es eines inneren Wandels bedarf, haben wir Frauen unsere ganz eigene Art und Weise, ihn zu vollbringen. Die Wilde Frau flüstert uns die Wörter zu, sie weist uns den Weg und wir folgen.
Seit je her läuft sie neben uns her und hält immer wieder an, um zu sehen, ob wir auch mitkommen. Sie hat uns etwas, sie hat uns sogar sehr viel zu zeigen.
Wenn du also kurz davor stehst, auszubrechen, ein Wagnis einzugehen, wenn du dich traust, verbotene Wege zu gehen, dann grabe die tiefstmöglichen Knochen aus, denn sie befruchten die wilden, die Natur-Aspekte der Frauen, des Lebens, der Männer, der Kindern, der Erde.
Bediene dich der Liebe und der guten Instinkte, um den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, um zu spüren, wann es richtig ist zu knurren, wann zu springen, wann zurückzuschlagen, wann zu töten, wann nachzugeben, wann sich zurückzuziehen, wann zu heulen bis zum Morgengrauen.
Um in dieser ursprünglich göttlichen Wildheit zu leben, gilt für jede Frau: mehr energisches Kopfschütteln, mehr übersprudelnde Fröhlichkeit, mehr intuitive Fährtensuche, mehr Kreativität leben, mehr Arbeit in der Erde, mehr Einsamkeit, mehr Frauen-Gemeinschaft, mehr Näher zur Natur, mehr Feuer, mehr Geist, mehr Wörter und Ideen zusammenbrauen!
Häufiger Schwesternschaft wahrnehmen, öfter aussäen, mehr Wurzeln hüten, mehr Nachsicht mit den Menschen üben, mehr Revolutionen in der Nachbarschaft anzetteln, mehr Poesie, mehr Bilder von Fabeln und Fakten, ein tieferes Eintauchen in das wilde Feminine.
Dazu brauchen wir mehr anarchistische Nähkränzchen, auch dass wir öfter unsere Stimme erheben. Und ganz besonders nötig ist mehr canto hondo, dieser Gesang aus tiefster Seele.
Verschwenden wir keine Energie auf den Ärger. Nutzen wir ihn stattdessen zur Selbstermächtigung. Vor allem aber: Setzen wir gewieft alle unsere weiblichen Sinne ein.“