Ereignisreich war dieses Jahr 2022, sowohl von der Weltlage her, als auch in Schorndorf. Lassen wir es noch einmal Revue passieren:
Beherrschendes Thema zu Beginn des Jahres war immer noch Corona. Mit dem Verbot von Versammlungen, wie etwa Montagsspaziergängen, startete die Stadtverwaltung im Januar. Eine entsprechende „Allgemeinverfügung“ gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit vom 23. Dezember 2021 sollte bis Ende Januar gelten. Dazu war die Stadtverwaltung nicht mehr berechtigt, da die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ am 25. November 2021 bereits beendet wurde. Am 19. Januar wurde das Verbot aufgehoben.
Seit Dezember 2021 waren etliche Menschen für die Beendigung der staatlichen Forderungen und Einschränkungen öffentlich eingetreten, an manchen Tagen bis zu 400 Personen. Der neugewählte OB signalisierte Interesse an einem Gespräch mit ihnen. Die SPD-Fraktion kritisierte ihren AfD-Kollegen Lars Haise dafür, dass er jene Proteste nach eigenem Augenschein als friedlich beschrieb. Dies sei „an Zynismus nicht zu überbieten“, da diese Leute sich „über geltende demokratische Spielregeln hinwegsetzen“.
Im Februar wurde in der Stadt zu einer „Menschenkette“ aufgerufen, um ein Zeichen zu setzen gegen die Spaltung in der Gesellschaft. Insgesamt waren dazu rund 350 Leute aktiviert worden. Eine Teilnehmerin hatte sich dort eingereiht, die sich sowohl mit diesem Ziel auch mit den Forderungen der Montagsspaziergänger identifizierte.
Die Schorndorfer Ortsgruppe „Mobilfunk Bürgerforum e.V.“ kritisierte das von der Verwaltung vorlegte Vorsorge-Konzept, das laut Auftrag des Gemeinderats die Gefahren des Ausbaus strahlenintensiver Sendemasten aufzeigen sollte. Es habe sich mehr mit Funklöchern befasst. Dass Grenzwerte unterschritten würden, sei nur durch ein extrem hohes Ansetzen dieser Werte erreicht worden: „Zum Vergleich, würde man die gesetzlichen Grenzwerte für Mobilfunkstrahlung mit dem Tempolimit im Verkehr vergleichen, wäre in einer 30er Zone Tempo 300km/h angemessen.“
Stadträtin Sabine Brennenstuhl vereidigte im März Bernd Hornikel als Oberbürgermeister, der Ende November mit 4.634 Stimmen (knapp 15 Prozent der Wahlberechtigten) in dieses Amt gewählt worden war. Sie empfahl in ihrer Rede Karl Poppers Regeln für eine gute Diskussionskultur im Gemeinderat. Dazu gehört: „Wer nicht bereit ist, alte Überzeugungen aufzugeben, braucht nicht zu diskutieren“, oder auch: „Zum Recht ausreden zu dürfen, gehört die Pflicht, sich kurz zu fassen.“
Wegen des Ukraine-Kriegs traf sich jeden Freitag die Friedensinitiative zu einer Mahnwache vor dem Rathaus. Vor dem Gebäude flatterte als Zeichen der Solidarität eine ukrainische Flagge, und die Fenster waren in Blau und Gelb beleuchtet. Auf die Scheiben des Büros der Grünen-Abgeordneten Petra Häffner klebten Pazifisten im Zuge einer Demonstration die Anklage, dass die Grünen „Kriegstreiber“ seien, weil sie Waffen lieferten statt diplomatische Lösungen zu suchen.
Der April zeigte die kurze Lebensdauer von Wahlversprechen auf, als der neue OB von seinem Nein zu Prestigebauten abrückte und nun für den Neubau der Stadtbücherei warb. Der Gemeinderat beschloss das Millionen-Projekt. Drei Rätinnen und fünf Räte stimmten aus diversen Gründen dagegen: hauptsächlich, weil die Stadt ohnehin schon hochverschuldet ist, teilweise auch, weil der Betrieb auf einer künftig doppelt so großen Fläche nicht mit dem gleichen Personal zu bewältigen sei, oder aber, weil sie sagten, dass es eine funktionierende Bücherei gebe, die ausreiche.
Die Verwaltung führte als Notwendigkeit für den Neubau ihren „Bildungsauftrag“ ins Feld, und dass Fördergelder „in Aussicht gestellt“ seien, die sonst verfielen. Das Ende des Prestigeprojekts Stadthalle jährte sich zum 40. Mal. Die von damals übriggebliebene Baugrube ziert jetzt als 5 Millionen Mark teurer See den Stadtpark.
Im Mai ging der Gemeinderat zu einer Klausurtagung in ein Hotel in Schwäbisch Hall, um zu überlegen, wie das Loch von rund 3 Millionen Euro im nächsten Haushalt zu stopfen ist. Den hohen Schwierigkeitsgrad eines solchen Unterfangens schildert die Glosse „Aber…“ anhand eines Vergleichs mit einer Jugendlichen, die ihren Kleiderschrank ausmisten soll.
Als erstes sichtbares Ergebnis bescherte der neu eingestellte Radwegekoordinator der Stadt einen Haltegriff für wartende RadlerInnen an der Kreuzung Burg-/Schlichtener Straße. Da seine Stelle vom Land gefördert wird, zeigte der Kommentar „Vorsicht Falle: Fördergelder“ auf, wie Stadtverwaltung und Gemeinderat auf dieses Stichwort hin nach Pawlow’scher Art reagieren.
Aus dem Interview zu „100 Tage im Amt“ mit dem neuen Oberbürgermeister wurde im Juni nichts. Trotz Pfingstferien sei er zu sehr terminlich eingespannt gewesen, um zehn Fragen kurz zu beantworten, wie seine Pressestelle mitteilte. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann war gestresst von seinen Landeskindern, die einen Demonstrationszug zu seinem Haus veranstaltetet hatten. Ihm unterstellten wir einen gewissen Neid auf Württembergs Graf Eberhart im Barte, der vor über 500 Jahren sein Haupt seelenruhig einem jeden Untertan in den Schoß legen konnte.
(Fortsetzung folgt)