Rund 350 Personen hatten sich am Dienstag in Schorndorfs Innenstadt zu einer Menschenkette formiert. Sie folgten damit dem „Schorndorfer Appell“ für Solidarität und gegen Spaltung. Unter ihnen befand sich auch eine Frau, die dort den Dialog suchte. Tags zuvor war sie an gleicher Stelle beim Montagsspaziergang mit von der Partie gewesen. Sie berichtete uns von ihren Gesprächen.
Bevor sich die Kette formierte, hatte die Frau bereits eine ihr bekannte Ärztin angesprochen mit den Worten: „Es ist ja schön, dass ich heute hier bei Tag laufe, und dass es nicht so kalt ist wie gestern.“ Diese sei „sehr überrascht gewesen, ja, fast sprachlos, dass eine Montagsspaziergängerin auch hier dabei ist.“ Nach deren Ansicht ginge man für ganz unterschiedliche Werte auf die Straße, und montags seien es die Rechtsextremisten, woraufhin die Frau der Ärztin erklärte: „Also, mir kann man Rechtsextremismus nicht vorwerfen, ich bin mit einem Ausländer verheiratet“. So dass die Ärztin eine andere Abgrenzungsdefinition anbrachte: „Wir sind hier, weil wir solidarisch sind, und die Montagsspaziergänger sind unsolidarisch.“
In der Menschenkette reihte sie sich dann neben Bekannten ihrer Eltern ein. Dort eröffnete sie das Gespräch mit einem: „Wisst ihr, dass wir montags für viele selbe Sachen laufen?“ und in deren erstauntes Schweigen hinein: „Es wäre eigentlich ganz nett, wenn ihr montags auch mal kommen würdet“. Daraufhin habe sich ein konstruktives Gespräch ergeben, in das sich auch der Mann an ihrer anderen Seite in der Kette eingeklinkt habe. Dieser glaubte erst, wie sie berichtet, sich verhört zu haben, dass sie für beide Aktionen aktiv ist. Auf ihr „Ja, natürlich, wir haben ja die gleichen Ziele“, sei er interessiert gewesen, diese zu erfahren und sie habe ihm genannt: „Für Demokratie, gegen Rechtsextremismus, gegen die Überlastung des Gesundheitssystems.“
Da habe er konkret nachgehakt: „Sind Sie auch dafür, dass man die Maßnahmen ganz aufheben soll?“ Woraufhin sie meinte, man sollte neue Wege suchen, denn „jetzt sind wir weiter als vor zwei Jahren, und mit dem Wissen von jetzt könnte man im einen oder anderen Fall auch mal anders weitermachen.“ Er habe sich vergewissert: „Sie sind nicht für die totale Aufhebung der Maßnahmen?“ Und sie habe ihrerseits gefragt, woher er denn sein Bild von den Montagsspaziergängern habe. Als er da das Fernsehen und andere Medien nannte, habe sie ihm erklärt: „Ich kann nur für Schorndorf sprechen, aber hier ist es ganz anders, als es in den Zeitungen steht.“
Er habe sich gleichermaßen überrascht wie erfreut gezeigt, dass er mit ihr „so ein angenehmes Gespräch führen konnte“. Und sie habe ihn bestätigt: „In einer guten Demokratie ist es wichtig, dass man aufeinander zugeht.“ Weil er erneut gefragt habe, ob sie wirklich nicht für die Aufhebung aller Maßnahmen sei, habe sie ihm geschildert: „Ich habe drei Kinder. Das war nicht lustig im Lockdown. Aber ich finde, man sollte jetzt nach vorne schauen können und die Maßnahmen anpassen: alles zu seiner Zeit. Aber ich will jetzt nicht noch zehn Jahre warten“. Als er wissen wollte, ob sie denn meine, dass der Virus jetzt weg sei, habe sie ihm gesagt: „Ich arbeite im Gesundheitswesen. Ich würde mir nie anmaßen, so was zu behaupten, da wäre ich ja bekloppt. Der wird immer da sein.“
Überdies habe sie festgestellt: „Ich bin ja etwas enttäuscht, dass so wenig Leute heute da sind. Bei den Montagsspaziergängen sind wir viel mehr, und es sind auch mehr Jüngere dabei.“ Gleichzeitig habe sie ihn eingeladen: „Vielleicht schauen Sie sich das ja auch selbst mal an“, und schilderte ihm: Die Spaziergänger skandierten keine Parolen, führten keine Plakate mit, „die könnten da auch für den Weltfrieden auf der Straße sein.“ Zuletzt äußerte sie ihre Hoffnung: „Vielleicht hab ich Ihnen jetzt etwas mitgegeben, so dass Sie ein anderes Bild bekommen von den Montagsspaziergängen.
Nach Auflösung der Menschenkette habe sie noch auf dem Marktplatz mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Tim Schopf geredet, den sie persönlich kennt. Er sei, wie er sagte, erst am Schluss zu der Veranstaltung gestoßen, weil er habe arbeiten müssen. Sie habe ihm berichtet: „Es ist alles friedlich verlaufen – so wie montags ja auch immer.“ Als er einlenkend meinte, dass zwischen Impfgegnern und Corona-Befürwortern „viel dazwischen“ liege, habe sie erklärt: „Genau. Deshalb bin ich hier.“ Und sie habe ihre Hoffnung geäußert: „Ich würd mich freuen, wenn mehr von denen, die heute dabei waren, auch montags mitlaufen würden.“
Nachdem er erklärt habe, er könne es nicht mehr hören: „Immer nur Corona!“, habe sie ihm beigepflichtet: „Ich auch nicht“, um dann lachend festzustellen: „Da sind wir uns ja schon wieder einig.“ Bezogen auf Jens Spahns Zitat, dass wir uns später viel zu verzeihen haben werden, fand sie: „Nicht erst am Ende der Pandemie!“, sondern: „Ich möchte jetzt schon allen andern in die Augen blicken können.“
Auch die umweltpolitisch sehr engagierte Eve Gideon suchte am Dienstag den Dialog mit Leuten der Menschenkette. Sie hatte eigens ein Flugblatt entworfen, auf dem sie ihre Ansicht zum Impfzwang darlegt. Doch musste sie vor Ort die Erfahrung machen, dass Leute, denen sie es reichte, das Flugblatt sofort zerknüllten mit den Worten: „Ich will das nicht wissen.“
Eine weitere Frau bot einzelnen Personen in der Menschenkette an: „Sprecht doch mit uns!“ Sie bekam zur Antwort: „Mit euch rede ich nicht!“ Und als sie fragte, warum sie in der Menschenkette mitmachten, sei ihr geantwortet worden: „Aus Solidarität.“ Nachgehakt, mit wem sie sich da solidarisieren: „Gegen die, die nicht solidarisch sind mit denen, die die Maßnahmen unterstützen.“