Bei seiner Wahl zum Oberbürgermeister von Schorndorf sagte Bernd Hornikel Ende November: „Ich will der Oberbürgermeister für alle sein.“ Vorige Woche verschaffte er sich beim Montagsspaziergang mit eigenen Augen ein Bild von den Menschen, die in Schorndorf gegen die Maßnahmen auf die Straße gehen. Und das, wie er sagt, obwohl er um diese Uhrzeit eigentlich noch in Ludwigsburg als stellvertretender Amtsleiter eingespannt ist, und selten vor 20.30 Uhr nach Hause kommt. Wir baten ihn um seine Einschätzung und Eindrücke dessen, was er an jenem Montag vorfand.
Zunächst legt Bernd Hornikel Wert auf die Feststellung, dass er an diesem Abend als Privatperson unterwegs war, und dass er auch nur vom Marktplatz bis zur Ecke Palm-/Archivstraße am Ende des Zugs neben Thorsten Englert mitgegangen sei. Mit Menschen innerhalb des Zugs sei er daher nicht ins Gespräch gekommen. Zum einen wegen der Kürze der Wegstrecke, zum anderen aber auch, „weil ich keine offizielle Rolle habe. Ich kann mich da im Moment noch nicht einmischen“.
Er habe die Spaziergänger als friedlich wahrgenommen, „im Sinne von fehlender öffentlicher Aggression“. Ob Schorndorf mit dieser Friedfertigkeit, die auch von Polizeiseite bislang stets attestiert wurde, eine Ausnahme in der deutschlandweiten Bewegung darstellt, könne er weder bestätigen noch negieren: „Ich war bei keinem anderen Spaziergang dabei.“
Bezüglich seines Versprechens, er wolle der Oberbürgermeister für alle sein, und die Frage, wie er das konkret gegenüber der Personengruppe, die da auf die Straße geht, umsetzen will, erklärt er, es sei „schwierig, das in dieser Abstraktheit zu formulieren“. Er tue sich schwer damit, dass Leute „geltende Regeln nicht einhalten“, in diesem Fall seien es Verordnungen des Landes bezüglich Maskenpflicht und Abständen bei größeren Versammlungen im Freien. „Ich bin Jurist“, sagt er, so gelte für ihn der Grundsatz: Man muss sich an Regeln halten. Er räumt jedoch ein: „Ich hab Verständnis dafür, dass Menschen sich nach 2 Jahren Pandemie aufregen“ über Maßnahmen, durch die sie sich gegängelt fühlen.
Er sei offen nach beiden Seiten: gegenüber denen, die auf die Straße gehen, wie auch gegenüber jenen, denen diese Spaziergänge ein Dorn im Auge sind. „Deshalb würde ich gern mit diesen Gruppierungen reden.“ Schwierig sei für ihn freilich, dass sich auf die Polizeidurchsage per Megaphon vor Ort kein Versammlungsleiter hatte finden lassen. Ihm fehle somit jemand, der „Farbe bekennt“, d. h. Menschen, die sagen: „Wir sind die, mit denen man reden kann.“ Gleichwohl hält er es auch für fraglich, „ob das in einer so heterogenen Gruppe überhaupt möglich ist“. Zumindest wisse er „aus anderen Städten“, dass sich „auch Leute aus der rechten Ecke“ zwischen die „Corona-Gegner“ mischten. Doch betont er: „Ich rede grundsätzlich mit jedem, solange er sich mir zur Rede stellt.“
Er halte es da im Grundsatz mit Ex-Bundespräsident Rau und dessen Motto „Versöhnen statt Spalten“. Gleichzeitig hegt er aber auch Sympathien für den amtierenden Bundespräsidenten Steinmeier, der zu Gegendemonstrationen aufruft: „Ich bin der Meinung, dass es legitim ist, eine Gegendemo durchzuführen.“ So hielt er beispielsweise die Aktion, bei der in Schorndorf aller Corona-Toten gedacht wurde, für eine „sehr passende Reaktion“, da dort die Botschaft ausgesendet wurde: „Ja, euch geht der ganze Mist auf den Geist, aber bedenkt auch die Opfer.“ Als künftiges Stadtoberhaupt sieht er es als wichtig an, „auch mit diesem Frustpotenzial zu reden“, schiebt jedoch hinterher: „Ich lasse mich weder angreifen noch beleidigen. In der Sache rede ich mit jedem.“
Auf die Frage, wie er als Jurist das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart bewertet, wonach Verbote von Spaziergängen verfassungswidrig sind, erklärt er: „Das ist eine Einzelfallentscheidung.“ Es möge sein, dass ein einzelner Montagsspaziergang verboten werden könne, „nur als generelles, vorbeugendes Verbot ist es verfassungswidrig, das sehe ich auch so.“
Der Artikel 8 des Grundgesetzes, wonach sich alle BürgerInnen jederzeit friedlich versammeln dürfen, „ist ein hohes Gut, für mich auch, das gehört zu den essentiellen Grundrechten“. Nicht zuletzt deshalb, weil es von früheren Generation erkämpft werden musste. „Ich bin immer ein Verteidiger der Versammlungsfreiheit, auch wenn’s einem mal lästig ist.“ Insofern habe er Verständnis für Waiblingens Oberbürgermeister Hesky, der am Verbot von Spaziergängen festhalte: „Das ist eine politische Aussage.“
Doch stehe für ihn außer Frage: „Der Staat muss sich von der Justiz kontrollieren lassen.“ Und: „Unsere Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit der Justiz, ist ein es unserer höchsten Güter.“ Angesprochen auf Stephan Harbarth, den Präsident des Bundesverfassungsgericht, dem wegen eines Abendessens mit der Kanzlerin Befangenheit unterstellt wurde, lacht Hornikel: „Das ist eine Verschwörungstheorie!“ Er selbst werde selbstverständlich als Oberbürgermeister auch mit Doris Greiner, der Leiterin des hiesigen Amtsgerichts, reden, denn es sei „gang und gäbe“, dass man sich als Amtspersonen träfe, „um abstrakte Dinge zu besprechen“. Jedoch kenne er „eine Menge Richter und Richterinnen, die würden mir gewaltig den Vogel zeigen, wenn ich mir anmaßen würde, Einfluss zu nehmen auf die Rechtsprechung“.