Glosse
Einsparungen im städtischen Haushalt zu finden, ist ungefähr so einfach, wie wenn man seiner 15-jährigen Tochter helfen soll, den Kleiderschrank auszumisten: „Diese Hose kann ja wohl weg.“ – „Neeeiin!!“ – „Sie passt dir nicht mehr.“ – „Aber ich mag sie so!“ – „Du hast genug andere.“ – „Aber es ist meine Lieblingshose.“ – „Du wirst es überleben.“ – „Du bist fies!“ – „Du wolltest dich doch von Unnötigem trennen.“ – „Aber nicht von dieser Hose.“ – Die Mutter verdreht die Augen.
Wenn der Gemeinderat sich dieses Wochenende in Schwäbisch Hall in Klausur begibt, um den Rotstift am Stadt-Haushalt anzusetzen, werden sich möglicherweise ähnlich Szenen abspielen:
„Wir könnten den Eigenbetrieb ‚Citymanagement und Tourismus‘ abschaffen.“ – „ Neeeiin!!“ – „Tischtennisplatten und eine Bobbycar-Bahn gehören nicht zu den Pflichtaufgaben einer Stadt.“ – „Aber die Touristen sind ein Wirtschaftsfaktor.“ – „Der Eigenbetrieb kostet jährlich eine halbe Euro nur fürs Personal.“ – „Aber dafür bringen die Touristen doch wieder Geld in die Stadt.“ – „So viel Kaffee können die gar nicht trinken, um diese Ausgaben auch nur annähernd wieder reinzuholen.“ – „Aber dann würden die Angestellten ja arbeitslos.“ – „Wegen des Fachkräftemangels werden sie überall mit Handkuss genommen.“
Oder jemand schlägt vor: „Wir streichen die SchoWo.“ – „Neeeiin!!“ – „Sie ist überholt.“ – „Aber sie ist doch so schön!“ – „Als wir noch keine Straßencafés hatten, war sie sinnvoll. Heute kannst du dich täglich draußen mit anderen treffen.“ – „Aber die Vereine brauchen doch das Geld.“ – „Die große Mehrheit der Standbetreiber ist inzwischen kommerziell.“ – „Aber für die wenigen Vereine müssen wir doch…“ – „Die letzten werden auch noch abspringen, weil sie a) keine ehrenamtlichen Helfer mehr finden, und b) weil das, was sie einnehmen, durch die Umlagen aufgefressen wird.“ – „Aber: Nie mehr SchoWo?!“ – „Wir werden es überleben.“ – „Du bist fies!“ – „Vielleicht entsteht dann was Neues.“ – „Aber…“ – „Etwas, das keine 132.000 Euro Zuschuss verschlingt. Für nur fünf Tage. Denn das sind 26.400 Euro pro Tag, Umgerechnet 1.100 Euro pro Stunde – und zwar rund um die Uhr.“
Oder es sagt einer: „Wir sparen an der Beleuchtung.“ – „Neeeiin!!“ – „Damit würden wir sogar noch schneller die Klimaneutralität erreichen.“ – „Aber dann fühlen sich Frauen nachts nicht mehr sicher in der Stadt.“ – „Die Beleuchtung des Daimlerdenkmal am Rathaus trägt nicht zur Sicherheit von Frauen bei.“ – „Aber…“ – „Zumal tagsüber. Und bei hellichtem Sonnenschein.“ – „Aber das sind doch alles LED-Leuchten, die verbrauchen fast nichts.“ – „Es summiert sich.“ – „Aber so viele Lampen können wir in der Stadt gar nicht abschalten.“ – „Was ist mit der Lichtinstallation an der Arnoldbrücke?“ – „Neeeiin!!“ – „Sie kostet Strom.“ – „Aber das Kunst.“ – „Kunst, die Geld kostet.“ – „Aber in schweren Zeiten braucht der Mensch Kunst mehr denn je.“ – „Wenn er seine Lebensmittel kaum noch bezahlen kann, wird er wenig Verständnis dafür haben, dass wir seine Steuergelder für Dinge verwenden, auf die er selbst gern verzichten würde.“
Vor zwei Jahren schlug die Verwaltung bei ähnlicher Gelegenheit dem Gemeinderat ein „Paket“ von „rund 150 Maßnahmen“ für ca. 3,5 Millionen Euro sogenannter „Einsparungen“ vor – bei 200 Millionen Euro Gesamtvolumen des Haushalts (samt Stadtwerken und Stadtbau). In diesem Vorschlag war u. an. enthalten: die Erhöhung von Grund- und Hundesteuer sowie die Anhebung der Eintrittsgelder für die Sauna; außerdem die Zusammenlegung von Kitas, um Personal zu sparen. Wodurch ein früherer Gemeinderatsbeschlusses zur wohnortnahen Kinderbetreuung kassiert wurde.