Nachruf – Leben und Politik in der Stadt aus weiblicher Perspektive: friedliebend – feministisch – feinsinnig. Gegründet August 2020.
Nachruf« Als Melanie Grawe im Jahr 1980 aus dem Stand auf den 3. Platz der SPD-Fraktion in den Schorndorfer Gemeinderat gewählt wurde, hielt man(n) Frauen meist noch für zu blöde, ein solches Amt auszuüben.
Noch vier Jahre zuvor hatte sich nicht nur Karl-Heinz Köpcke dagegen verwehrt, dass eine Frau auch nur die „Tagesschau“-Nachrichten verliest. Weil diese Spezies angeblich nichts von Politik verstünde, von Sport schon gar nichts, und bei Unglücken in Tränen ausbreche.
Nachruf Päpste kamen und gingen, Politiker kamen und gingen – auf dem britischen Thron saß immer dieselbe Frau. Die Queen. Es gab keine andere mit diesem Status. Als diszipliniert und pflichtbewusst wurde sie zeitlebens empfunden – seit sie im Alter von 26 Jahren die Krone von ihrem verstorbenen Vater erbte. Gleichzeitig galt sie als anteilnehmend am Schicksal der Menschen, die ihr begegneten. Als „eine Konstante für uns alle, die auf der ganzen Welt respektiert wurde“ bezeichnet Barbra Streisand die 1,63 cm große Frau.
Sieben verschiedene Männer wurden Papst während ihrer über 70 Jahre dauernden Regentschaft. 14 Premierminister, deren Namen uns teilweise heute gar nichts mehr sagen (oder was wissen Sie über Anthony Eden?), erlebte Queen Elizabeth II. in ihrer Funktion als Staatsoberhaupt von Großbritannien. Noch zwei Tage vor ihrem Tod hat sie Liz Truss als 15. Person und 3. Frau im Amt der Regierungschefin auf Schloss Balmoral empfangen.
Nachruf „Und wer sind Sie?“ wurde Christel Kohnle vom Aufnahmeleiter des SDR etwas unfreundlich angesprochen, als sie ihm in der „Becka-Kurze“ über den Weg lief. An diesem Tag im Mai 1986 drehte das Fernsehteam dort eine Szene über Robert Bosch, hatte sich die urige Kneipe in Schorndorfs Altstadt als Kulisse erkoren. „I be zufällig d‘ Wirtin“, konterte Christel schlagfertig und brachte den Mann zum Verstummen.
Ihr kleines Wirtschäftle war nicht nur ein optisches Juwel für die Fernsehleute. Auch für die Schorndorfer war es 17 Jahre lang etwas ganz Besonderes, das seinesgleichen sucht. Der Grund dafür: Weil auch Christel Kohnle etwas ganz Besonderes war. Mit 25 Jahren erfüllte sich die gebürtige Welzheimerin hier den Traum von einem eigenen Lokal. Sie stammt aus einer Wirtsfamilie, lernte Köchin und Hotelkauffrau.
Als sie die „Becka-Kurze“ im Sommer 1981 eröffnete, war es äußerst ungewöhnlich, dass eine Frau, dazu noch alleinstehend, sich auf diese Weise selbständig machte. Ihre Mutter hatte ihr das Holztäfelchen mit dem Spruch „Wer die Wirtin kränkt, wird aufgehängt“ geschenkt. Es amüsierte die Kundschaft, und es half ihr, sich Respekt zu verschaffen. So wurde sehr schnell aus dem Geheimtipp eine Institution in Schorndorf.