„Wir sind für diese Zeiten gemacht“ – Teil IV

Gast­bei­trag von Cla­rissa Pin­kola Es­tés
Die Psy­cho­ana­ly­ti­ke­rin und „Can­ta­dora“ Cla­rissa Pin­kola Es­tés hat vo­ri­ges Jahr ei­nen Brief an eine junge Ak­ti­vis­tin ge­schrie­ben, der ebenso er­mu­ti­gend wie weg­wei­send ist. Nach Teil I,  Teil II und Teil III hier der Schluss­teil:

„Es ist uns nicht ge­ge­ben zu wis­sen, durch wel­che Ta­ten oder wel­che Per­son die kri­ti­sche Masse hin zu ei­nem dau­er­haft Gu­ten kippt. Was be­nö­tigt wird für ei­nen dras­ti­schen Wan­del, ist eine An­samm­lung von Ta­ten: hin­zu­fü­gend, dazu hin­zu­fü­gend, noch mehr hin­zu­fü­gend, un­ab­läs­sig. Wir wis­sen, dass es nicht „je­der­mann auf der gan­zen Welt“ braucht, um Ge­rech­tig­keit und Frie­den her­zu­stel­len, son­dern nur eine kleine, ent­schlos­sene Gruppe, die nicht auf­gibt beim ers­ten, nicht beim zwei­ten, nicht beim hun­derts­ten Sturm.

Eine der be­ru­hi­gends­ten und wir­kungs­volls­ten Maß­nah­men, mit der Du in eine stür­misch be­wegte Welt ein­grei­fen kannst, ist hin­ste­hen und Deine Seele zei­gen. Eine Seele an Deck leuch­tet wie Gold in dunk­len Zei­ten.

Das Licht der Seele schlägt Fun­ken, setzt Leucht­zei­chen, ent­zün­det Si­gnal­feuer… bringt die pas­sende Ma­te­rie dazu, Feuer zu fan­gen. Die See­len-La­terne zu sein in Zei­ten vol­ler Schat­ten wie die­sen, fest ent­schlos­sen zu sein und Barm­her­zig­keit ge­gen­über an­de­ren zu zei­gen – bei­des sind Ta­ten von im­menser Tap­fer­keit und größ­ter Not­wen­dig­keit. See­len, die um das Gute rin­gen, fan­gen das Licht an­de­rer See­len auf, wel­che voll ent­brannt sind und be­reit, dies zu zei­gen. Wenn Du hel­fen möch­test, den Tu­mult zu be­ru­hi­gen, dann ist dies eine der stärks­ten Dinge, die Du tun kannst.

Es wird im­mer Zei­ten ge­ben, wenn Du Dich mit­ten in ei­nem Zu­stand von „Er­folg in greif­ba­rer Nähe, aber noch nicht sicht­bar“ ent­mu­tigt fühlst. Ich habe auch Ver­zweif­lung sehr oft in mei­nem Le­ben er­lebt, aber ich halte ihr kei­nen Platz frei; ich be­wirte sie nicht. Es ist ihr nicht er­laubt, von mei­nem Tel­ler zu es­sen.

Der Grund ist der: Tief in mei­nen Kno­chen weiß ich et­was, so wie Du auch. Näm­lich dass es keine Ver­zweif­lung ge­ben kann, wenn Du Dich daran er­in­nerst, warum Du auf die Erde kamst, wem Du dienst, und wer Dich hier­her ge­sandt hat. Die gu­ten Worte, die wir spre­chen, und die gu­ten Ta­ten, die wir tun, sind nicht un­sere: Sie sind die Worte und Ta­ten des Ei­nen, der uns hier­her­ge­bracht hat.

In die­sem Geiste, so hoffe ich, wirst Du Dir dies an Deine Wand schrei­ben: Wenn ein gro­ßes Schiff fest ver­täut im Ha­fen liegt, ist es dort si­cher, ganz ohne Zwei­fel. Aber: Das ist nicht das, wo­für große Schiffe ge­macht wer­den.

Dies hier kommt mit sehr viel Liebe und Be­ten, da­mit Du Dich dar­auf be­sinnst, von wem Du kamst und warum Du auf diese wun­der­schöne, be­dürf­tige Erde kamst.“

—————————————

Let­ter to a Young Ac­ti­vist Du­ring Trou­bled Times: Do Not Lose He­art, We Were Made for These Times“ is ©2020 by Cla­rissa Pin­kola Es­tés, Ph.D., all rights re­ser­ved. Crea­tive Com­mons Li­cense by which aut­hor and pu­blishers grant per­mis­sion to copy, dis­tri­bute and trans­mit this par­ti­cu­lar let­ter un­der the con­di­ti­ons that use be non-com­mer­cial, that the let­ter be used in its en­ti­rety word for word, and not al­te­red nor ad­ded to, not sub­trac­ted from, and that it carry author’s full name and this co­py­right no­tice in full.

Den eng­li­schen Ori­gi­nal­text gibt es hier.
Über­set­zung: Ga­briela Uhde.

OHNE MOOS NIX LOS!

Das „Schorn­dor­fer On­­line‑Blatt“ steht für un­ab­hän­gi­gen Jour­na­lis­mus.


Da­mit das so bleibt, freuen wir uns über Ihre Un­ter­stüt­zung!

Konto-In­­­ha­­­be­rin: G. Uhde

IBAN :


DE83 6005 0101 8836 5559 72

Newsletter:

schoblatt.de