Gastbeitrag von Clarissa Pinkola Estés
Die Psychoanalytikerin und „Cantadora“ Clarissa Pinkola Estés hat voriges Jahr einen Brief an eine junge Aktivistin geschrieben, der ebenso ermutigend wie wegweisend ist. Nach Teil I, Teil II und Teil III hier der Schlussteil:
„Es ist uns nicht gegeben zu wissen, durch welche Taten oder welche Person die kritische Masse hin zu einem dauerhaft Guten kippt. Was benötigt wird für einen drastischen Wandel, ist eine Ansammlung von Taten: hinzufügend, dazu hinzufügend, noch mehr hinzufügend, unablässig. Wir wissen, dass es nicht „jedermann auf der ganzen Welt“ braucht, um Gerechtigkeit und Frieden herzustellen, sondern nur eine kleine, entschlossene Gruppe, die nicht aufgibt beim ersten, nicht beim zweiten, nicht beim hundertsten Sturm.
Eine der beruhigendsten und wirkungsvollsten Maßnahmen, mit der Du in eine stürmisch bewegte Welt eingreifen kannst, ist hinstehen und Deine Seele zeigen. Eine Seele an Deck leuchtet wie Gold in dunklen Zeiten.
Das Licht der Seele schlägt Funken, setzt Leuchtzeichen, entzündet Signalfeuer… bringt die passende Materie dazu, Feuer zu fangen. Die Seelen-Laterne zu sein in Zeiten voller Schatten wie diesen, fest entschlossen zu sein und Barmherzigkeit gegenüber anderen zu zeigen – beides sind Taten von immenser Tapferkeit und größter Notwendigkeit. Seelen, die um das Gute ringen, fangen das Licht anderer Seelen auf, welche voll entbrannt sind und bereit, dies zu zeigen. Wenn Du helfen möchtest, den Tumult zu beruhigen, dann ist dies eine der stärksten Dinge, die Du tun kannst.
Es wird immer Zeiten geben, wenn Du Dich mitten in einem Zustand von „Erfolg in greifbarer Nähe, aber noch nicht sichtbar“ entmutigt fühlst. Ich habe auch Verzweiflung sehr oft in meinem Leben erlebt, aber ich halte ihr keinen Platz frei; ich bewirte sie nicht. Es ist ihr nicht erlaubt, von meinem Teller zu essen.
Der Grund ist der: Tief in meinen Knochen weiß ich etwas, so wie Du auch. Nämlich dass es keine Verzweiflung geben kann, wenn Du Dich daran erinnerst, warum Du auf die Erde kamst, wem Du dienst, und wer Dich hierher gesandt hat. Die guten Worte, die wir sprechen, und die guten Taten, die wir tun, sind nicht unsere: Sie sind die Worte und Taten des Einen, der uns hierhergebracht hat.
In diesem Geiste, so hoffe ich, wirst Du Dir dies an Deine Wand schreiben: Wenn ein großes Schiff fest vertäut im Hafen liegt, ist es dort sicher, ganz ohne Zweifel. Aber: Das ist nicht das, wofür große Schiffe gemacht werden.
Dies hier kommt mit sehr viel Liebe und Beten, damit Du Dich darauf besinnst, von wem Du kamst und warum Du auf diese wunderschöne, bedürftige Erde kamst.“
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Letter to a Young Activist During Troubled Times: Do Not Lose Heart, We Were Made for These Times“ is ©2020 by Clarissa Pinkola Estés, Ph.D., all rights reserved. Creative Commons License by which author and publishers grant permission to copy, distribute and transmit this particular letter under the conditions that use be non-commercial, that the letter be used in its entirety word for word, and not altered nor added to, not subtracted from, and that it carry author’s full name and this copyright notice in full.
Den englischen Originaltext gibt es hier.
Übersetzung: Gabriela Uhde.