Gastbeitrag von Eve Gideon
Seit einiger Zeit sieht man ein Immobilienbanner vor dem prägnanten Fachwerk-Eckhaus an der Burgstraße gegenüber vom Kindergarten. Hinter einem der Fenster hängt verloren und traurig ein Traumfänger.
Jetzt zeigt sich ein ebensolches Immobilienbanner auch an der Fassade des Stadtbauernhauses in der Aichenbachstraße. Der letzte Bewohner ist vermutlich gestorben. Das Banner überdeckt schon die Fenster. Das liebevoll gepflegte Haus wird sicher – wie üblich in unserer Stadt – abgerissen, das Grundstück samt Garten komplett überbaut. Ein weiteres Geklotze wird entstehen, gesichtslos, geschichtslos, Gewinn bringend.
Es scheint mir, als habe über die Jahre ein alles zerstörender Materialismus Herzen und Hirne übernommen. Da ist kein Raum mehr für Gewachsenes und Liebgewonnenes, für Heimat und Geschichte, kein Platz mehr für Menschlichkeit und Respekt. Es gibt kein Bedauern, keine Scham, kein Halten, nur eines: Wachsen und Besitzen, noch mehr und noch schneller.
In unserer einst liebenswerten Stadt regieren Gier und Baggerschaufel, fressen sich immer weiter durch Winkel und Straßen, durch Wiesen und Haine. Sie geben Auskunft, welch dumpf-brutaler Zerstörungsgeist herrscht. Fast ist es wie Krieg, nur langsamer.