Die angeblich schlechte Stimmung im Gemeinderat tauchte immer wieder als Thema im OB-Wahlkampf auf. In der jüngsten Sitzung des Technischen Ausschusses fragte Friederike Köstlin daher ihre RatskollegInnen, wie sie selbst den Umgangston innerhalb dieses Gremiums empfinden.
Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass unser gewesener OB nach 100 Tagen im Amt die einmütige Verabschiedung des Etats als Zeichen für das gute Verhältnis zwischen ihm und dem Gemeinderat gewertet hatte. Einige Jahre später, als dieses Gremium nicht den von ihm favorisierten Thorsten Englert sondern Edgar Hemmerich zum Ersten Bürgermeister wählte, bekam er einen Wutanfall, der noch lange danach Gesprächsstoff in der Stadt war.
Von einer weiteren Entgleisung im Gemeinderat berichtet nun Lars Haise (AfD) auf Köstlins Frage „Ist der Gemeinderat in Schorndorf wirklich so zerstritten? Hier sein Text im Wortlaut:
„Die Frage würde ich grundsätzlich erstmal mit „Nein“ beantworten. Sicher ist: In den letzten zweieinhalb Jahren gab es einige „Aufhänger“, über die sehr leidenschaftlich, manchmal auch hart diskutiert wurde. Der Antrag der SPD, dem Bündnis „Seebrücke“ beizutreten, war sicherlich so ein Aufhänger. Auch beim Stadtwerke-Skandal wurde in den öffentlichen Sitzungen viel Klartext gesprochen. Insbesondere durch die AfD. Als „Streit“ habe ich aber keine dieser Debatten empfunden. Gelegentlich eher als unsachlich, wenn unser Ex-Oberbürgermeister mal wieder jemandem über den Mund gefahren ist oder er meine Fraktion, die AfD, völlig grundlos stigmatisierte. Das hat sicherlich das Gremium in gewisser Weise gespalten, aber zerstritten sind wir deshalb nicht.
Doch über eine Sache sollten sich insbesondere die schon länger im Gemeinderat Sitzenden Gedanken machen, zu dem ich gerne einen Anstoß geben will: Es gibt nicht immer nur die eine richtige Herangehensweise an ein Thema und auch nicht nur eine zulässige Meinung oder Haltung. Mir fällt dazu exemplarisch die Situation ein, als der Vorsitzende der FDP/FW-Fraktion, sonst immer bekannt für seine staatstragende Gerierung, bei der öffentlichen Sitzung des Technischen Ausschusses am 8. Juni 2021 kurz nach einem hitzigen Wortwechsel mit einem vormals grünen Stadtrat die Contenance verlor, sich zu ihm wandte und ihm die ausgestreckten Mittelfinger zeigte. Gut sichtbar und öffentlich. Der zwischenzeitlich fraktionslose Stadtrat reagierte gelassen, ging richtigerweise nicht auf die Provokation ein. Man hätte nach dieser Situation, da sie nicht nur von mir, sondern auch von einigen anderen Stadträten beobachtet wurde, sicherlich einen riesigen Ballon aufblasen können. Doch wäre das dem weiteren Sitzungsverlauf und der Sache dienlich gewesen?
Auch (altgediente) Stadträte sind kein Schweizer Uhrwerk, das tadellos funktioniert. Fehler machen uns menschlich. Diese jedoch zu erkennen und anzunehmen, zeugt von wahrer charakterlicher Stärke.
Echte Toleranz, wie sie insbesondere von den schon länger im Gemeinderat Sitzenden gepredigt wird, ist keine Einbahnstraße. Gerade und besonders in einer funktionierenden Demokratie – auch in der Kommunalpolitik! – müssen andere, vielleicht auch persönlich unangenehme Meinungen einfach mal heruntergeschluckt werden. Vor allem dann, wenn man Gefahr läuft, nicht an sich halten zu können. Ich bin darin schon sehr geübt.“