Kommentar
Da tritt Bernd Hornikel kein leichtes Amt an: Er will ein Oberbürgermeister „für alle“ sein, und ist doch nur von knapp 15 Prozent aller Stimmberechtigten gewählt, bei einer aktiven Ablehnung seiner Person durch fast zwei Drittel derer, die zur Wahl gegangen sind. Gut, man kann sagen, dass es all denen, die in der Mehrheit nicht zur Wahl gingen, egal ist, wer Oberbürgermeister ist, dass da eine unterschwellige Zustimmung angenommen werden kann. Oder aber Resignation.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass unser seitheriger OB viel versprochen hat, wie zum Beispiel: „Die Zeit der Bändelesdurchschneiderei ist vorbei“ – um dann munter eine Einweihung nach der anderen vorzunehmen, sich sogar beim Baggerbiss für die Sanierung der Feuerseestraße für die Nachwelt ablichten zu lassen. Auf Prestigeprojekte verzichten zu wollen, war das eine, die Ankündigung, mehr auf das Wissen der BürgerInnen zu setzen, das andere – um dann etliche Beraterbüros für seine Pläne anzuheuern. Berater aus fernen Großstädten. Berater, die wir von unseren Steuern bezahlen, obwohl sie manchmal weniger Ahnung haben als wir Einheimischen, siehe Planung Archivplatz.
Auch Hornikel hat in seinem Wahlprospekt versprochen: „Es ist nicht die Zeit für Prestigeprojekte.“ Ob wir ihm das glauben dürfen, wird die Zukunft zeigen. Ein Hintertürchen hat er sich aufgehalten mit der Formulierung, es sei „zwingend notwendig“, Investitionen „anzugehen“, damit trotz knapper Kassen „die Weichen in die Zukunft der Stadt gestellt werden“. Was auch immer man sich hinter diesen blumigen Worten vorstellen soll. Nicht ausgeschlossen, dass er den Bücherei-Neubau in dieser Sparte ansiedelt.
Lassen wir uns überraschen, wie er den Alltag der Amtsgeschäfte meistern wird. Wie es sich in der Praxis auswirkt, dass, wie er sagt, er „manchmal ein ziemlicher Chaot“ ist und ein Umfeld braucht, das ihn „strukturiert“.
Ganz besonders gespannt sind wir, ob er, der Hobbykoch (seine Spezialität: thailändisches Curry), auch das Küchenkabinett seines Vorgängers übernehmen wird: den privaten Kochclub „Pfundskerle“, der – wie auch der Ältestenrat des Gemeinderats – ein reiner Männerzirkel ist. Besondere Fähigkeiten sind dort nicht vonnöten für eine Mitgliedschaft. Unser seitheriger OB konnte beispielsweise kein Eigelb vom Eiweiß trennen. Es werden dort ja auch keine Michelin-Sterne errungen, nur ab und zu eine Daimlermedaille an ein Mitglied verliehen, wie vor zwei Jahren an Kino-Mogul Lochmann.