In ihren Stellungnahmen zur Lage der städtischen Finanzen zeigten die Fraktionsvertreter ein breites Spektrum von „Jetzt erst recht!“ bis hin zu „Notbremse ziehen!“ auf. Hier die Reden der ersten drei Herren zum Haushaltsplan-Entwurf 2023:
Weil Rechtsanwalt Gerhard Nickel für die Fraktion der FDP/FW den Anfang machen durfte, fühlte er sich berufen, den neuen Oberbürgermeister Hornikel zunächst einmal willkommen zu heißen „in der kommunalen Wirklichkeit mit all ihren bunten Facetten und all ihren finanziellen Zwängen“. Um ihn dann jedoch gleich in Schutz zu nehmen vor Kritikern an seinen Sparvorschlägen. Denn es sei nicht er, sondern der Gemeinderat gewesen, der von ihm verlangt habe, „alle denkbaren Alternativen aufzuzeigen“. Dass dies „in der Öffentlichkeit nicht so angekommen“ sei, empfand er als „unglücklich“.
Schorndorf müsse die EDV-Ausstattung und Ganztagsbetreuung an Schulen wie auch die Sprachförderung in Kitas „schultern“, dazu überhaupt erst einmal genügend Plätze an Kinderbetreuung und für Altenpflege anbieten, zusätzlich Flüchtlinge und Obdachlose unterbringen, befand er. Dazu, dass dafür „die Förderung von Sport, Jugendlichen, Musikvereinen und Kultureinrichtungen“ für seine Begriffe „geopfert“ werden solle, erklärte er kategorisch: „Dies ist mit mir nicht zu machen“.
Er ist der Ansicht, dass Krisen „nicht durch Sparen überwunden werden“, sondern dass – im Gegenteil – das Sparen eine Krise „erst recht nur verschärfen“ werde. Seine Lösung: „Einnahmen generieren“, und zwar „durch Ansiedlung weiterer Gewerbebetriebe“. Etwa im Gebiet „Sündle“. Und er hat auch schon einen Vorschlag zur Straßenbenennung dort: „An der Goldgrube“, wie in Mainz, wo die Firma Biontech mit dieser Adresse Milliarden Euro an Einnahmen verzeichnet hat. Seine Hoffnung für hier: „Vielleicht hilft es“.
Lars Haise, AfD-Fraktions-Chef, zitierte aus dem „Wintermärchen“ von Heinrich Heine: „Sie sang das alte Entsagungslied, Das Eiapopeia vom Himmel,… ich weiß, sie tranken heimlich Wein und predigten öffentlich Wasser.“ Was „im Klartext“ für ihn heißt: „Während man beabsichtigt die Stadtgesellschaft heftig bluten zu lassen“ und „den finanziellen Sensenmann spielt“ dürfe die „heilige Kuh“ Stadtbücherei-Neubau „nicht angetastet werden“.
Er ist überzeugt: „Die Absage des kostspieligen Büchereineubaus tut niemandem weh. Denn wir haben ja eine Bücherei. Vielleicht juckt das Ego des einen oder anderen Sozen. Aber für unseren angeschlagenen Stadthaushalt wäre es eine wohltuende Entlastung und für viele Bürger könnte der Griff in die Tasche abgemildert werden und humaner ausfallen.“ Zudem: „Wer von den Bürgern abverlangt, den Gürtel enger schnallen zu müssen, der muss mit gutem Beispiel vorangehen.“
Sein Appell an Verwaltungsspitze und Anhänger den Neubaus: „Wenn Sie schon Wasser predigen, dann hören Sie auf, Wein zu trinken.“ Er nannte das Projekt einen finanziellen „Klotz am Bein“ und schlug vor, die Notbremse zu ziehen. „Das macht man, um Schaden abzumildern oder im besten Fall ganz zu vermeiden.“ Er weiß, wovon er spricht, er ist Lokführer.
„Schön, dass Sie Heine zitiert haben“, wandte sich der pensionierte Kunstlehrer Ulrich Kost (Grüne) zu Beginn seiner Rede an seinen Vorredner, um anzumerken: „Vielleicht können wir mit der neuen Stadtbücherei auch künftigen Generationen ermöglichen, Heine zitieren zu können“ – nicht wissend, dass das „Wintermärchen“ dort bereits virtuell vorhanden ist und als eBook zur Ausleihe kommt.
Kost schlug vor, um Geld in die Stadtkasse zu bekommen, eine Parkgebühr im gesamten Stadtgebiet einzuführen, selbstverständlich „sozial verträglich“. Er sprach sich dagegen aus, weitere Gebiete zu bebauen, forderte einen Stadtentwicklungsplan, und meinte, dass man wegkommen müsse von der „Mutlosigkeit, von der Angst zu scheitern, um es danach besser zu machen“. Wobei ihm bewusst ist: „Veränderungen machen Angst“.
Kultur ist seiner Ansicht nach kein Luxus, sondern „geistiger Boden, der unser Überleben sichert“. Noch nie hätten wir „so unplanbare Zeiten erlebt“ wie jetzt, doch gerade deshalb „dürfen wir nicht an der Kultur sparen“ – um nicht „ins Provinzielle abzugleiten“.
Fortsetzung folgt