Mehrkosten von 1,9 Millionen Euro durch Abbruch samt Neuaufbau der Holzkonstruktion am Meierei-Gebäude sollte der Technische Ausschuss (TA) auf Antrag der Verwaltung in seiner jüngsten Sitzung bewilligen. Verworfen worden war von der Rathausspitze die Alternative „Austausch der schadhaften Hölzer“, da diese mit veranschlagten 2,9 Millionen Euro um 1 Million Euro noch teurer käme.
Die genannten Kosten wurden von Stadtrat Tobias Schmid (Grüne) angezweifelt. Und so bekam der Antrag die denkbar knappste Zustimmung, woraufhin Bürgermeister Englert argwöhnte, dass der Gemeinderat ihm „einen Fuß stellen“ wolle für seine Pläne, und OB Hornikel gar mit rechtlichen Schritten drohte, falls das Gremium in seiner Sitzung am 25. September nicht dem Wunsch der Verwaltung folge.
„Unterm Weihnachtsbaum“, hatte Bürgermeister Englert es sich so schön ausgemalt, wollte er den Schlüssel zur neuen Bücherei an deren Leiterin Seidel Ende 2025 überreichen. Aufgrund des Pilzbefalls der Hölzer in der Meierei ist dieser Traum nun geplatzt. Doch bekräftigte Englert im TA, dass die dadurch anfallenden Mehrkosten von 1,9 Millionen Euro – wieder einmal – ein „garantierter Maximalpreis“ seien. Auch erklärte er, dass ohne den bisherigen Festpreis „noch viele andere Überraschungen hochgekommen wären“.
Die Fraktionsvorsitzenden von CDU, FDP/FW und SPD, Beutel, Junginger und Schopf monierten zwar, dass die Schäden nicht entsprechend gründlich untersucht worden seien, bevor der Baubeschluss gefasst wurde, und ein Gutachten bereits Hinweise darauf gegeben hatte. Gleichwohl waren sie alle drei bereit, die Mehrkosten abzusegnen, wünschten sich aber, dass dergleichen künftig nicht mehr vorkomme.
Oberbürgermeister Hornikel zeigte sich daraufhin zerknirscht („ehrlich gesagt, ärgert’s mich auch“) und beteuerte: „Wir wollen auf jeden Fall draus lernen“. Mit seiner Juristin wolle er den Ablauf „angucken“, um zu sehen, „wo sind ein paar Unzulänglichkeiten“. Und diese dann aufarbeiten – in „nicht-öffentlicher“ Runde.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Lars Haise hingegen sah sich bestätigt: Genau eine solche finanzielle „Überraschung“, wie sie jetzt aufgetaucht ist, habe er bei Baubeschluss vor zwei Jahren bereits vorausgesehen, weshalb er (zusammen mit 7 weiteren RätInnen) damals das Projekt ablehnte.
Konsequenterweise verweigerte er nun auch sämtlichen Varianten der Schadensbehebung seine Zustimmung. Dies sei ein „despektierlicher Umgang mit dem Steuerzahler“, der diese Millionenbeträge hart erwirtschaftet müsse.
Ein ratloser Oberbürgermeister fragte daraufhin, ob man den Bau dann einstellen und in seinem jetzigen Zustand zum Denkmal für die Unfähigkeit der Stadtpolitik erklären solle, wie Haise im Juli vorgeschlagen hatte? Sein „Dann sollen Sie mir bitte auch sagen, was ich tun soll!“ erntete spontan Applaus aus dem Zuschauerraum.
Neu-Stadtrat Tobias Schmid (Grüne) kritisierte, dass vor Baubeschluss zwar „Schäden in großem Umfang zu erwarten“ gewesen seien, man diesen aber nicht nachging. Als Architekt äußerte er sich zudem kritisch zu den angesetzten Mehrkosten: „Eine Zahl, die ich in Frage stelle“.
Zudem wies er darauf hin, dass die Firma Hieber, die mit den Holz-Arbeiten für das Projekt beauftragt ist, zwar viel Erfahrung mit Gartenhäusern habe, bezüglich Kompetenz zum Thema Fachwerk sich aber nichts auf deren Homepage finde.
Als Gegenbeispiel für die beantragten 1,9 Millionen Euro zum Neuaufbau von Fachwerk und Dachstuhl an der Meierei, führte er an, dass am Frankfurter „Römer“ unlängst ein Haus zum Preis von 700.000 Euro sogar mit Schmuckfachwerk erstellt wurde.
In ihrem „Sanierungskonzept“ weist die Firma Schatz als Generalübernehmer (GÜ) die Kosten für „Rekonstruktion von Fachwerk und Dach“ mit 450.000 Euro aus. Für Abriss und „Sicherung der Althölzer“ setzt sie 340.000 Euro an.
Hinzu kommen noch „externe Planungs- und Honorarkosten“ (240.000 Euro), zudem für Fenster und Verputzarbeiten 160.000 Euro sowie noch einmal fast eine Viertel Million Euro, nämlich 230.000 Euro unter der Position „Interne Kosten GÜ“.
Nachdem die Verwaltung wiederholt darauf verwies, dass auch das Landesdenkmalamt den Plänen von Schorndorfs Stadtverwaltung voll zustimme, gab Schmid zu bedenken, dass auch die dort zuständige Frau keine ausgewiesene Expertin in Sachen Fachwerk sei.
Sein Vorschlag lautete: Die Gutachter, die derzeit die Kelter in Schornbach in Augenschein nehmen, mögen sich einen halben Tag Zeit nehmen und auf den Zustand der Meierei „draufschauen“. Entweder bekomme man dann ein „Passt!“ oder ein „Oh, du meine Güte!“ – „dann sparen wir vielleicht eine Million Euro ein“, also Steuergelder, wie Haise zuvor erklärt habe.
Einen entsprechenden Antrag werde seine Fraktion noch vor der abschließenden Entscheidung im Gemeinderat zum Thema am 25. September vorlegen.
Der Alternativvorschlag, statt Komplettabriss lediglich die schadhaften Hölzer auszutauschen, wurde von Schatz-Geschäftsführer Serdal Celan als zu aufwendig dargestellt: Einen solchen Austausch müssten Statiker und Prüfstatiker „einzeln begleiten“ und zudem müssten Stützen eingebaut werden – so wie jene für bereits entfernte Innenwände, die das Gremium bei der vorherigen Besichtigung bereits selbst gesehen habe.
Für den Antrag der Verwaltung (Abriss und Neuaufbau für 1,9 Millionen Euro) stimmten 9 Mitglieder des Technischen Ausschusses (darin inbegriffen der OB). 6 Gegenstimmen kamen von den drei Grünen (Schmid, Saling, Hübner), von Haise und Daniel Schmidt (AfD) sowie Kirsten Katz (CDU), die schon anno 2022 dem Baubeschluss ihre Zustimmung versagt hatte. Peter Schwan (FDP/FW), der sich damals enthalten hatte, enthielt sich auch jetzt, gemeinsam mit Matthias Nothdurft von der „Bürgerstimme Schorndorf“.
Bürgermeister Englert, der bei Baubeschluss noch betont hatte, „ich bin Demokrat“ und daher setze er nur um, was der Gemeinderat ihm auftrage, empfand die hohe Zahl der Gegenstimmen als Angriff und warnte daher: „Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, uns einen Fuß zu stellen“ (durch die Ablehnung seines Antrags in der Gemeinderatssitzung am 25. September), werde der „worst case“ eintreten, weshalb er sich berufen fühlte, den Ratsmitgliedern ins Gewissen zu reden: „Ich erinnere Sie an Ihre Pflichten als StadträtInnen!“
OB Hornikel kündigte zusätzlich an, er werde im Fall der Ablehnung gegen einen solchen Beschluss des Gemeinderats Widerspruch beim Regierungspräsidium einlegen.
Dieses rechtliche Instrument, über das ein OB verfügt, wird höchst selten eingesetzt. In Schorndorf geschah es zuletzt im Jahr 1981. Damals ersuchte Oberbürgermeister Rudolf Bayler Rückendeckung vom Regierungspräsidium für sein Stadthallenprojekt, dessen Kosten auf 55 Millionen Mark angestiegen waren.
Regierungspräsident Manfred Bulling versagt ihm jedoch die erhoffte Unterstützung „nach Abwägen aller sachlichen und rechtlichen Aspekte“, und auch das Verwaltungsgericht Stuttgart lehnte Baylers Klage ab. Der Gemeinderat empfand das Vorgehen des Oberbürgermeisters als Affront und forderte seinerseits dessen „Beurlaubung“ von den Amtsgeschäften.