
Bild an der Rathausfassade
Gedenktag
Heute vor 279 Jahren starb Barbara Künkelin. Der Überlieferung nach hat sie zusammen mit den „Schorndorfer Weibern“ im Jahr 1688 die Stadt vor der kampflosen Übergabe an die französischen Soldaten unter General Mélac bewahrt.
Historisch gesichert ist, dass es Frauen waren, die den hiesigen Magistrat mitsamt den Gesandten aus Stuttgart im Rathaus festsetzten, so dass Schorndorf als einzige der sieben württembergischen Festungen ungeschoren davonkam.
Als ihre Anführerin wurde Barbara Künkelin erst rund 100 Jahre später hervorgehoben. Zum Zeitpunkt der Stadtrettung hieß sie tatsächlich noch mit Nachnamen Walch, als Ehefrau des 1688 amtierenden Bürgermeisters Heinrich Walch.
„Darbey ist dise avanture geschehen, daß, alß die Weiber in Schonrdorff gehört, daß Herren von Stutgardt kommen seyn, welche auff dem Rathauß von übergab der Vöstung an die franzosen proposition gethan hatten, sie, die Weiber, häuffig vors Rathauß hingeloffen, und selbe nicht mehr herunder laßen wollen, sondern was anderß zu thun gedrohet.“
So hat der Göppinger Vogt Georg Sigmund Schott die damaligen Geschehnisse in seinem Bericht vom 16. Dezember 1688 beschrieben.
Barbara Agricola wurde am 10. März 1651 als Tochter eines Apothekers in Leutkirch geboren. Ihr Onkel war Kaufmann und Bürgermeister in Schorndorf. Zu ihm kam die 25jährige Barbara, als ihr Vater wegen Schulden und „liederlichen“ Lebenswandels aus Leutkirch verwiesen wurde. Drei Jahre später heiratete sie den viel älteren und zweifach verwitweten Heinrich Walch, der Lammwirt und Bürgermeister war. Als dieser 1689 starb, heiratete sie im Dezember desselben Jahres den Bürgermeisternachfolger Johann Georg Künkelin und zog in dessen Wohnhaus, heute Marktplatz 4.
Erst im darauffolgenden Jahrhundert erwähnte Karl Friedrich Reinhard sie in seiner Ballade über die „Schorndorfer Weiber“ als „Madame Bürgermeisterin“.
Reinhard war ein glühender Anhänger der Französischen Revolution, weshalb naheliegt, dass er die mutigen Frauen für aktuelle Freiheitsbestrebungen instrumentalisierte.
Gleiches kann von Schillers Lehrer Jakob Friedrich Abel angenommen werden, der sie in seiner Schrift „Geschichte des Einfalls der Franzosen in Württemberg im Jahr 1688“ hervorhob. Abels Frau Rosine war die Tochter des hiesigen Stadtschreibers, weshalb er dabei vermutlich auf deren mündliches Überlieferungswissen zurückgreifen konnte.
Dass im Jahr 1874 eine Straße nach Barbara Künkelin benannt wurde, ist ebenfalls im Zusammenhang einer Instrumentalisierung zu sehen: Der kurz zuvor gewonnene Krieg gegen die Franzosen führte zu einer Verherrlichung des Militärs. Kritik gegenüber dessen Vorgehen im Krieg war nicht erwünscht.
Auch in der NS-Diktatur wurde die Künkelin vereinnahmt. Nicht nur wurde ihre Rettungstat in einem Gedicht mit der des „Führers“ gleichgesetzt. Sie ist auch abgebildet auf der Amtskette, die der Oberbürgermeister bei offiziellen Anlässen trägt, und die im Jahr 1938 von hiesigen Fabrikanten gestiftet wurde.
Im Jahr 1983 wurde schließlich von Fritz Abele ein „Künkelinpreis“ geschaffen, der seit 1984 alle zwei Jahre „an Frauen oder Frauengruppen unserer engeren oder weiteren Heimat verliehen“ wird, „die zum Wohle der Allgemeinheit auf dem Gebiete besonders förderungswürdiger Zwecke vorbildlich tätig wurden, ohne den Erfolg einem von ihren Männern bekleideten Amte zu verdanken.“
Barbara Künkelin und ihre Mitstreiterinnen sind bis heute (eins der wenigen) Vorbilder für Frauen in Schorndorf, die sich aktiv gegen Missstände einsetzen.
Barbara Künkelin lebte die letzten 13 Jahre allein und war zuletzt erblindet. Testamentarisch richtete sie ein Theologie-Stipendium in Tübingen für junge Männer ein, deren Eltern das Schorndorfer Bürgerrecht besaßen oder ein öffentliches Amt innehatten. Unter anderem wurde dies dem späteren Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling gewährt, dessen Vater in Schorndorf Dekan war. Dieser ehemalige Stipendiat heiratete übrigens 1803 in Murrhardt die Schriftstellerin Caroline geb. Michaelis, die damals frisch von August Schlegel geschieden war.
Aus ihrem Vermögen stiftete Barbara Künkelin außerdem der Kirche eine silberne Abendmahlskanne , die leider nur zur Reformationsausstellung im Stadtmuseum zu sehen war, und nun wieder in einem Tresor der Kirchenverwaltung sicher verwahrt wird.
Barbara Walch-Künkelin starb mit 90 Jahren am 20. November 1741 in Schorndorf.