Seine Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz anno 1933 holte Reinhold Maier, den Schorndorfer, im Januar 1947 ein, als er bereits Ministerpräsident des Landes Württemberg-Baden war. Franz Karl Maier, seines Zeichens Jurist und Herausgeber der „Stuttgarter Zeitung“, sah in Reinhold Maiers Verhalten damals sowohl einen Wortbruch gegenüber seinen Wählern, als auch Hochverrat an der Weimarer Verfassung.
Gottlob Kamm, der – ebenfalls aus Schorndorf stammende – Entnazifizierungsminister, wertete Reinhold Maiers Zustimmung zwar auch als politischen Irrtum und Feigheit, meinte jedoch, der Journalist wolle mit dieser Anklage lediglich die Auflage seines „Käsblättles“ erhöhen. Neben Reinhold Maier saßen sechs weitere Männer im Landtag von Württemberg-Baden, die ebenfalls damals der Ermächtigung Hitlers zugestimmt hatten.
Die Kommunisten im Landtag monierten: „Da wundern sich Zehntausende von Menschen über den Vorwurf, Mitläufer gewesen zu sein, während auf der anderen Seite führende politische Funktionäre ihre Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz als harmlos hinstellen wollten.“
In einem eigens eingerichteten Untersuchungsausschuss des Landtags erklärte der Ministerpräsident, eine „Sympathieerklärung zum Nationalsozialismus“ sei seine damalige Zustimmung nicht gewesen. Auch habe man gedacht, dass diese Partei nicht lange an der Macht wäre.
Sehr eindrücklich schildert er die Situation vor Ort am Tag der Abstimmung: „Wie wir in den Reichstag kamen, haben wir gesehen, dass wir absolut in eine Mausefalle kamen. Es war der Reichstag cerniert [umzingelt] nicht nur von Tausenden, sondern von Zehntausenden von SA-Leuten. Der Reichstag war besetzt. Man konnte die Treppen nur durch eine ganz enge Gasse hinaufgehen, und im Sitzungssaal kamen schätzungsweise auf jeden oppositionellen Abgeordneten zehn schwerbewaffnete SA- und SS-Leute, die direkt in unserem Rücken standen.“
Walter Molt, der Vorsitzende der Spruchkammer, die den Fall ebenfalls untersuchte, befand schlussendlich, es fehle „an jeder Begründung dafür“, dass man Reinhold Maier zur Verantwortung ziehen müsste. Er berief sich dabei auf Artikel 36 der Weimarer Verfassung: „Kein Mitglied des Reichstags darf zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden.“ Das Verfahren wurde eingestellt.
Im Untersuchungsausschuss erklärten dessen zehn Mitglieder nach insgesamt acht Sitzungen in ihrem Abschlussbericht, dass Reinhold Maiers Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz zwar politisch ein Fehler gewesen sei, der jedoch das Ergebnis von Fehleinschätzungen gewesen und mithin verständlich sei. Außerdem: Hätte Reinhold Maiers Stimme gefehlt, wäre „die Gesamtentwicklung auch nicht anders verlaufen.“
s.a. Artikel vom 30. Juni 2021 zur Wahl der Verfassungsgebenden Landesversammlung vor 75 Jahren: „Die Ernte war wichtiger“