Wie geht Versöhnung, Pastor Reinhardt?

In­ter­view
Mo­men­tan er­hit­zen sich in Schorn­dorf die Ge­mü­ter über un­ter­schied­li­che Ein­stel­lun­gen zu den po­li­ti­schen Maß­nah­men, die die Re­gie­rung den Men­schen auf­er­legt. Bernd Hornikel, un­ser ge­wähl­ter neuer OB, er­klärte un­längst, er halte es dies­be­züg­lich mit Ex-Bun­des­prä­si­dent Jo­han­nes Rau und des­sen Motto „Ver­söh­nen statt spal­ten“. Doch wie lässt sich dies in der Pra­xis be­werk­stel­li­gen? Wir ha­ben die Ver­tre­ter der hie­si­gen Kir­chen ge­fragt, die sich mit dem Thema Nächs­ten­liebe und Ver­ge­bung („Wie auch wir ver­ge­ben un­se­ren Schul­di­gern“) am bes­ten aus­ken­nen: Wie geht Ver­söh­nung?
Heute: Pas­tor Ste­fan Rein­hardt, Evan­ge­lisch-me­tho­dis­ti­sche Kir­che Be­zirk Mitt­le­res Rems­tal

Warum tun wir uns alle so schwer, un­se­ren „Schul­di­gern“ zu ver­ge­ben?
Der Not­wen­dig­keit der Ver­ge­bung geht eine Ver­let­zung vor­aus. Je­mand hat den an­de­ren durch Wort und Tat ver­letzt. Un­sere Lo­gik ist oft die: wenn ich ver­gebe, dann tue ich so, als ob nichts ge­we­sen wäre und gebe dem an­de­ren Recht. Des­halb fällt es schwer zu ver­ge­ben.

Warum su­chen wir über­haupt die Schuld bei an­de­ren?
Manch­mal hat der an­dere ja of­fen­sicht­lich Schuld. Dann ist auch Ver­ge­bung not­wen­dig. Es kann aber „hel­fen“, die Schuld beim an­de­ren zu su­chen. Man ist dann das Op­fer des an­de­ren und schein­bar nicht mehr für das ei­gene Le­ben ver­ant­wort­lich. Der an­dere ist ja schuld. Sich in die Op­fer­rolle zu be­ge­ben, ist schein­bar ein­fa­cher, ver­mei­det aber Ver­ant­wor­tung für das ei­gene Le­ben zu über­neh­men.

Wie ge­lingt Ver­ge­bung und Ver­söh­nung ganz kon­kret?
Ver­ge­bung ist keine Frage des Ge­fühls, son­dern des Wil­lens und der ei­ge­nen Ent­schei­dung. Ver­ge­bung heißt: den an­de­ren nicht auf seine Schuld fest­zu­le­gen. Zum Bei­spiel kon­kret zu sa­gen: „Ich ver­gebe Max Mus­ter­mann im Na­men Jesu, dass er mich ver­letzt hat.“ Für mich ist wich­tig, dass ich mich zur Ver­ge­bung ent­scheide und es im Na­men Jesu nicht aus ei­ge­ner Kraft tun muss!

Wel­che po­si­ti­ven Er­fah­run­gen ha­ben Sie da­mit ge­macht?
Wer nicht ver­gibt, denkt, dass er den an­de­ren be­straft. Ich habe die Er­fah­rung ge­macht, dass ich durch Ver­ge­bung selbst frei wurde. Ver­ge­bung heiß nicht, Schwamm drü­ber, son­dern ist eine Mög­lich­keit, selbst wie­der neu Le­ben zu kön­nen. Ver­ge­bung be­wahrt vor Bit­ter­keit.

Was kön­nen Ih­rer Kennt­nis nach ak­tu­ell die Maß­nah­men­be­für­wor­ter den Kri­ti­ke­rIn­nen nicht ver­zei­hen?
Dass Sie um der Liebe wil­len sich nicht imp­fen las­sen wol­len und so quasi die Pan­de­mie ver­län­gern.

Was ver­zei­hen – um­ge­kehrt – Kri­ti­ker den Be­für­wor­te­rIn­nen nicht?
Dass ih­nen ge­nau das vor­ge­wor­fen wird (Lieb­lo­sig­keit), ohne auf die ei­gent­li­chen Sorge und Ängste der Men­schen ein­ge­gan­gen wird.

Wie bauen Sie jetzt in der Pra­xis Brü­cken?
Kon­kret in der Ge­meinde: dass ich dar­auf achte, dass die Schutz­maß­nah­men ein­ge­hal­ten wer­den; gleich­zei­tig aber auch Men­schen mit an­de­ren Mei­nun­gen ak­zep­tiere und mit ih­rer Mei­nung ste­hen lasse. Dar­auf achte, dass dies – wenn mög­lich – auch in­ner­halb un­se­rer Ge­mein­schaft ge­lingt. Kir­che ver­stehe ich als eine Ge­mein­schaft von Men­schen, die be­ken­nen, dass Sie Je­sus Chris­tus nö­tig ha­ben. Das ist die ge­mein­same Grund­lage und nicht, dass alle ge­mein­sam eine Mei­nung zu Fra­gen der Pan­de­mie oder Theo­lo­gie ha­ben.

An­mer­kung:
Auf un­sere In­ter­view-An­frage hin ließ Pas­tor Joa­chim Bö­ker vom Süd­deut­schen Ge­mein­schafts­ver­band aus­rich­ten, er habe keine Zeit da­für. Pfar­re­rin Do­ro­thee Eis­rich von der evan­ge­li­schen Kir­che mel­dete sich erst nach Re­dak­ti­ons­schluss für diese Se­rie, und Pas­tor Pe­ter Rau von der Bap­tis­ten­ge­meinde ant­wor­tete nicht.

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