
Gedenktag
Heute vor 133 Jahren kam Thusnelde Dieterich zur Welt. Sie war Schorndorfs erste Sozialarbeiterin, damals noch „Fürsorgerin“ genannt. Im Jahr 1919 wurde sie vom hiesigen „Bezirkswohltätigkeitsverein“ als eine der ersten drei Frauen in dieser Funktion in ganz Württemberg engagiert, ab 1921 stand sie dann als Beamtin in staatlichen Diensten.
Auf ihre sehr tatkräftige Initiative hin wurde im Jahr 1924 neben dem Krankenhaus ein Solbad für Kinder eingerichtet. Die Tbc-Kranken zu einer solchen Kur zu schicken, war zu teuer geworden. Die Ziegelei lieferte Ziegel, eine Möbelfirma Liegestühle, die Spinnerei in Unterurbach Stoff für Matratzen und „Fräulein Lis Arnold“ Tische und Stühle aus ihrer Eisenmöbelfabrik. Aus Dürrheim wurde Badesalz in Säcken geliefert.
Die Halle war nach Süden hin offen und bot Platz für 30 Liegestühle. In zwei Räumen standen Holzbadewannen, die durch eine Leitung vom Krankenhaus her gefüllt wurden. Die Kinder erhielten morgens ein Frühstück, nach dem Bad mussten sie liegen, danach wurde Gymnastik betrieben und ihnen noch etwas vorgelesen. Nach dem Essen war zwei Stunden Mittagsruhe, nachmittags folgten Spiele und Spaziergänge, bevor die Kinder zum Übernachten wieder nach Hause gingen.
Drei Wochen dauerte diese Kur. Nach kurzer Einarbeitungszeit überließ die Fürsorgerin den Betrieb ihren Helferinnen. Anfängliche Skepsis bei Müttern und Kindern wich bald einer Begeisterung, so dass das Bad zehn Jahre lang sehr erfolgreich lief, berichtet Thusnelde Dieterich in ihren Lebenserinnerungen. Dann musste es der NS-Volkswohlfahrt übergeben werden und die Liegehalle wurde nur noch für Krankenhauspatienten genutzt.
Ihre Tätigkeit in Schorndorf beschreibt sie als „richtige Pionierarbeit“. Sie erarbeitete sich ihr Betätigungsfeld vollkommen selbständig. Einzig das Ziel stand fest: Die Säuglingssterblichkeit senken (sie lag bei 14 Prozent), sowie Jugendverwahrlosung und Tuberkulose eindämmen. 24 Dörfer und 8 Weiler rund um Schorndorf gehörten zu ihrem Einsatzgebiet. Sie besaß kein Fahrrad, manchmal nahm der Forstmeister sie im Wagen mit, meistens ging sie zu Fuß.
Thusnelde Dieterich war am 10. April 1888 in Ruppertshofen geboren worden, als zweite Tochter eines Pfarrers. Ihre Mutter Mathilde, geborene Gastpar, stammte wie der Vater Karl aus eine Pfarrfamilie. An ihre Ausbildung zur Säuglingsschwester schloss Thusnelde im Karl-Olga-Krankenhaus in Stuttgart das Erlernen der „großen Krankenpflege“ an wo sie vorwiegend Soldaten als Patienten hatte. 1918 absolvierte sie danach den frisch eingerichteten Kurs für angehende Fürsorgerinnen in der Sozialen Frauenschule des Schwäbischen Frauenvereins, der neun Monate dauerte.
Bis zu 25 Hausbesuche am Tag erledigte die Fürsorgerin in ihrer Anfangszeit. „Man war eben noch dumm und jung, später tat man etwas langsamer“, konstatierte sie im Rückblick. Gleichwohl zeigte ihr enormer Einsatz messbare Früchte: So hatte sich die Säuglingssterblichkeit schon nach wenigen Jahren von 14 auf 7 Prozent halbiert, wie der Oberamtsarzt in seiner Statistik 1926 feststellte.
Thusnelde Dieterich war zudem Schöffin bei Gericht sowie im Vorstand des Landesverbands und des Bezirksfürsorgerinnenvereins mit seinen rund 90 Mitgliedern. Im Frühjahr 1948 zog Thusnelde Dieterich, frisch pensioniert, zurück nach Korntal in ihr altes Elternhaus, wo sie schließlich 1975, fünf Tage vor ihrem 87. Geburtstag, starb.
Immer wieder Anlass zu Heiterkeit gab ihr ungewöhnlicher Vorname. Es kursierten die merkwürdigsten Varianten, angefangen von „Nusstelte“ bis hin zu „Tussnelke“. Und deshalb war sie überrascht, dass eines Tages ein Bauer nicht mit der Wimper zuckte. als sie ihren Namen angab. Auf die erstaunte Nachfrage hin erklärte dieser schlicht, er kenne den Namen: „Thusnelda – so hot mei Gaul beim Milidär g’hoißa.“