Viel hat nicht gefehlt, und Ursel Kamps wäre Schorndorfs erste Oberbürgermeisterin geworden: 44,8 Prozent der Stimmen errang sie bei der OB-Wahl im Jahr 1998 gegen Amtsinhaber Winfried Kübler, der 53,4 Prozent bekam. Beachtlich ist zudem, dass sie sogar noch zwei Prozentpunkte mehr als Reinhard Hanke acht Jahre zuvor – sogar seinerseits mit dem Amtsinhaberbonus – gegen Kübler auf sich hatte vereinigen können.
Als Grund, warum sie damals überhaupt kandidierte, nennt sie ihren Sohn Marek, der ihr erklärt hatte, die OB-Wahl mangels Kandidatenalternative boykottieren zu wollen. Als Tochter aus einem durch und durch politischen Haus war das für Ursel Kamps ein Unding.
Am 9. August 1942 kam Ursel Kamps in Schorndorf zur Welt. Ihre Eltern sind Rosa und Gottlob Kamm, beide aktive Sozialdemokraten und sportbegeistert. Ursels Geschwister Bertold, Anneliese und Walter waren zwischen 1926 und 1929 geboren, sie selbst also deutlich jünger als diese.
Wegen seiner regimefeindlichen Haltung wurde Vater Gottlob im Jahr 1934 für vier Monate im KZ Oberer Kuhberg bei Ulm inhaftiert. Sieben Mal durchsuchte die Gestapo ihr Elternaus, erzählte ihr die Mutter, die mit den Einnahmen aus dem Bahnhofskiosk die Familie ernährte, und die nach dem Krieg ebenso in die verfassungsgebende Landesversammlung berufen wurde wie auch ihr Mann. Diesen hatten die Amerikaner als Bürgermeister von Schorndorf eingesetzt, wenig später berief Reinhold Maier ihn nach Stuttgart als Entnazifizierungsminister.
„Ich war mit Leidenschaft Lehrerin“, erzählt Ursel Kamps. Vom Kultusministerium wurde sie zur Beauftragten für die Kooperation Schule/Kindergarten berufen. Dies war ein Projekt der Bildungsreform, entstanden aus der 68-er-Bewegung. Sie betreute acht Vorschulversuche in Nord-Württemberg und sagt: „Mein Ansatz war, dass nicht der Kindergarten von der Schule lernen muss, sondern umgekehrt, die Schule vom pädagogischen Vorgehen des Kindergartens etwas lernt.“ An der hiesigen Schlosswallschule war Ursel Kamps zuletzt Konrektorin.
Im Jahr 1969 brachte sie ihren Sohn Marek zur Welt, und 1972 kandidierte zusammen mit ihrer Mutter Rosa Kamm bei der Kommunalwahl auf der SPD-Liste. Beide wurden in das Gremium gewählt, doch war es zu jener Zeit noch Gesetz, dass nur eine Person pro Familie im Gemeinderat sitzen durfte. Ursel Kamps war dadurch die einzige Frau neben 28 männlichen Gremiumsmitgliedern, sagt aber, dass diese ihr gegenüber stets einen respektvollen Umgang an den Tag legten, und lacht dazu: „Die wussten, was ich im Hintergrund hatte“ – nämlich ihren politisch versierten Vater, den sie selbst auch als Berater sehr schätzte.
Als ihr Vater im Jahr 1975 starb, gab Ursel Kamps ihr Mandat zurück, damit die Mutter nachrücken konnte, so dass diese eine Aufgabe bekam, um über den Verlust des Ehemanns leichter hinwegzukommen. Nachdem Rosa Kamm 1996 gestorben war, kandidierte Ursel Kamps 2004 wieder als Stadträtin und errang mit 11.253 Stimmen dabei das beste Ergebnis aller Gewählten, womit sie „Stimmenkönigin“ wurde.
In diesem Jahr brach der Gemeinderat mit der Tradition, den Stimmenkönig automatisch zum Stellvertreter des Oberbürgermeisters zu wählen. Als Grund nannte die CDU-Fraktion, dass der oder die Vize zwei Jahre später die Laudatio auf den ausscheidenden OB Kübler zu halten habe, und man befürchtete, dass sie als dessen ehemalige Gegenkandidatin seine Leistungen nicht angemessen würdigen könnte. Ihr SPD-Fraktionskollege Frieder Stöckle wies diese Vermutung als „kleinkariert“ entschieden zurück, schließlich habe Ursel Kamps sich stets als faire Verliererin gezeigt.
Neben ihrem Amt als Stadträtin engagierte sich Ursel Kamps – wie bereits schon ihre Mutter– aktiv in den Bereichen Sport und Soziales in ihrer Heimatstadt. Sie war im Vorstand der Sportgemeinschaft (SG) und deren Tennisabteilung, und erforschte zusammen mit Christel und Jürgen Wöhrle die Geschichte des Sports in Schorndorf. Die Früchte dieser zwei Jahre in Anspruch nehmenden Arbeit waren eine Ausstellung 1986 im Rathaus und die Veröffentlichung in einer Broschüre. Dazu das Lob von Stadtarchivar Uwe Jens Wandel, dass das Trio dabei den allerersten Sportvereinsvorsitzenden Schorndorfs zutage gefördert hatte: Dr. Leonhard Tafel, der 1824 noch wegen seiner freiheitlichen Gesinnung auf dem Hohenasperg inhaftiert gewesen war, nach seiner Rehabilitierung 1840 als Präceptor nach Schorndorf kam und hier 1848 den ersten Turnverein gründete.
Ursel Kamps‘ soziales Engagement zeigte sich unter anderem darin, dass sie lange Jahre als Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt fungierte, und schließlich den Tafelladen ins Leben rief. Es sei ein fünf Jahre dauernder Prozess gewesen, bis dieser eröffnet wurde, erzählt sie. Ein Problem war die Suche nach einem geeigneten Raum (den sie schließlich in der ehemaligen Hutfabrik Sommer bekam). Ein anderes waren ihre persönlichen Zweifel: „Ist’s richtig, dass ich dem Staat damit die Arbeit abnehme?“ Sollte nicht dieser dafür sorgen, dass jeder Mensch von seiner Hände Arbeit leben kann, und nicht darauf angewiesen ist, vergünstigt an Lebensmittel zu kommen?
Es sei Philipp Palm gewesen, der sie schließlich aus diesem Dilemma befreite. Nicht nur, dass er den Tafelladen finanziell unterstützte. Er sagte ihr auch: „Das eine tun, heißt nicht, das andere lassen.“