„Ich habe den Eindruck, dass es ungemütlicher wird in Deutschland und in der Welt“, erklärte CDU-Fraktionschef Hermann Beutel in seiner Rede zum Haushalt 2024. Auch Friederike Köstlin von den Grünen sieht vorrangig „drängende Aufgaben, zahllose Verpflichtungen, zu wenig Geld, keine Spiel- und Freiräume“.
Lars Haise (AfD) befürchtet Folgen der Kriege im Gaza-Streifen und der Ukraine, „die weit über die betroffenen Regionen hinaus reichen“ und Gerhard Nickel (FW/FDP) fragt sich, wie „der Spagat“ zwischen Klimarettung und der Absage des Bundesverfassungsgerichts zu dessen Finanzierung gelingen soll. Auch Werner Neher (GLS) meint, dass die Haushaltsberatungen „in einer chaotischen Zeit“ stattfinden.
Tim Schopf (SPD) hingegen versprühte Optimismus als er aus einem Lied von Peter Fox zitierte: „Alle malen schwarz, ich seh die Zukunft pink.“ Er habe „große Hoffnung, dass wir die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft meistern können“. Einzige Voraussetzung: „Wenn wir uns zusammenreißen, nicht auseinanderdividieren“ und auch „nicht alles und jeden problematisieren“ sondern „lösungsorientiert an den Themen arbeiten“.
In diesem Jahr machte Lars Haise den Anfang im Reigen der Fraktionsreden zum städtischen Haushalt. Sieben Mal erwähnte er darin den Begriff „Demokratie“, so dass sie mehr an einen Wahlkampf-Auftritt für seine Kandidatur zum EU-Parlament erinnerte. Zumal er auch hinsichtlich des Themas „Klima“ empfahl: „Man könnte sich hier doch tatsächlich mal an der Europäischen Union orientieren“.
Dort sei nämlich inzwischen erkannt worden, „dass man das Klima nicht schützt, wenn man für Solar- und Windparks hektarweise Wälder abholzt“. Dass Deutschland „hier einen gefährlichen Sonderweg“ gehe, der „auch von Schorndorf aus im Schurwald sehr gut sichtbar ist“, schwäche seiner Ansicht nach das Vertrauen in die Politik. Er kritisierte die deutschen „Weltrettungs-Allmachtsfantasien“, die „bei näherer Betrachtung“ lediglich einige „Wenige sehr viel reicher macht und den Mittelstand sehr viel ärmer“.
Auch Friederike Köstlin nahm Bezug auf die EU. Sie stellte fest, dass sich „auf allen Ebenen – EU, Bund, Land, Gemeinden“ ein Wandel andeute, weil „viele Ressourcen knapp und teuer“ würden. Der Geldmangel sei dabei ihre kleinere Sorge, während die Knappheit bei „Fachkräften, Rohstoffen, Ackerböden, Solidarität, Zeit“ zu einer immer größeren Herausforderung würden.
Denn: „Was nützt eine schöne Kita, wenn wir keine Erzieherinnen finden und Öffnungszeiten einschränken müssen?“ Als möglichen Lösungsansatz für die Misere schlug sie vor: Wenn die hier wohnenden Menschen sich mit ihrer Stadt identifizieren und ein „Wir sind Schorndorf – Gefühl“ entwickeln, würden sie „ihr Potenzial zum Wohl der Stadt entfalten“.
Und: „Deshalb brauchen wir Vereine und Feste, schöne Plätze und öffentliche Einrichtungen“. Denn „Kultur holt Menschen aus der Einsamkeit und aus ihren Blasen“. Sie schaffe „einen geistigen Freiraum“ und sei „ein wunderbarer Katalysator für neue Ideen“.
Für die „Grüne Liste Schorndorf“ (GLS) teilten sich deren beide Mitglieder die Redezeit paritätisch. Für beide war es der letzte große Auftritt, weil sie für den nächsten Gemeinderat nicht mehr kandidieren werden. Miriam Müller konzentrierte sich auf das Thema „Innenstadtbelebung“. Die neue Stadtbibliothek sieht sie als einen „wundervollen Anfang“ und hält es für wichtig, sich auch anderer „unattraktiver Teile der Stadt, wie zum Beispiel das Bahnhofsumfeld und die Kirchgasse“ anzunehmen und diese „gemütlicher zu gestalten“.
Ebenso nötig sind in ihren Augen Investitionen in die Bildung. Wobei die neue Bücherei „top Möglichkeiten“ biete, die freilich „auch von Lehrkräften genutzt werden müssen“, weshalb es Aufgabe des Gemeinderats sei, „dies dem Fachpersonal schmackhaft zu machen“. Dass aus ihrer Sicht viele Kinder nicht mehr wüssten, was eine Bücherei ist, sei fatal, „denn manche Dinge kann man nun mal nicht googlen. Die muss man verstehen“.
Ihr Fraktionskollege Werner Neher bezeichnete die Haushaltslage der Stadt als „angespannt“, und: „Daher stellt sich die Frage umso mehr, was ist wichtig in dieser Zeit“. An erster Stelle nannte er die Wohnungsnot. Sein Lösungsvorschlag: Vor allem ältere Alleinstehende, die in zu großen Häusern leben, sollten mit jungen Familien zusammengebracht werden, deren Wohnungen zu klein sind: „Hier kann die Stadt mit einer Wohnungstauschbörse und einem kleinen Zuschuss helfen.“ Die Stadt Freiburg praktiziere dies bereits.
Zudem ist er der Auffassung, dass die Stadt „zu viele Gebäude unterhält und in Stand halten muss“, und dass deren Abschreibungen den Haushalt zu stark belasten. Deshalb beantragt er, „die Auslastung aller städtischen Tagungs- und Veranstaltungsräume aufzulisten“, um zu erkennen, „welche eventuell verzichtbar sind, oder anders genutzt oder gar vermietet werden können“.
Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Hermann Beutel, überschritt – wie bereits im Vorjahr – seine mit 10 Minuten vorgegebene Redezeit auf fast das Doppelte. Er beklagte „weltweite Kriege, ungebremste Migration“, eine hohe Inflation, Entlassungen in der Wirtschaft, den Klimawandel, Wohnungsnot, Überalterung der Gesellschaft – „und überall fehlt das Geld“.
An den Oberbürgermeister gerichtet: „Was mich verwundert hat in Ihrer Rede, ist die Aussage, dass sie Angst haben vor dem Klimawandel. Nun mag das ja so sein, aber ich wünsche mir von einem Oberbürgermeister, dass er keine Angst sondern Zuversicht verströmt. Keinen Alarmismus verbreitet, sondern sinnvolle und effiziente Maßnahmen einleitet.“
Er konstatierte, dass Verwaltung und Gemeinderat ihre „Hausaufgaben in vielen Bereichen erledigt haben“. Als Beispiel zählte er ausschließlich Baumaßnahmen auf: die Sanierung des Max-Planck-Gymnasium und am Schulzentrum Grauhalde, die neue Bücherei und den Bau eines neuen Feuerwehrgerätehauses. Eine Kita in Weiler sei in Planung und die Flüchtlingsunterkunft im Schornbacher Weg nächstes Jahr bezugsfertig.
Tim Schopf befand, dass die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte „enorm“ waren, und die Menschheit „unglaubliche Transformationen in kürzester Zeit“ vollziehe. Dadurch „sind wir heute die toleranteste und offenste Gesellschaft in der Geschichte der Menschheit“. Dass die Herausforderungen aktuell groß sind, wolle er „nicht kleinreden“, habe freilich das Gefühl, dass „wir als Stadt Schorndorf alles richten sollen“, dies aber möglichst wenig kosten dürfe.
Vorrangig wolle er diejenigen nicht vergessen, „die nicht so laut rufen“, in erster Linie Kinder. Ihnen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen, ist sein Ziel. Der Stabsstelle Klimaschutz sagte er „weiterhin die volle Unterstützung“ seiner Fraktion zu: „Lasst euch von dem Gegenwind nicht entmutigen, transformiert ihn vielmehr wie eine Windkraftanlage in sinnvolle grüne Energie!“
Allgemein setzt er auf den „verbesserten interfraktionellen Austausch der letzten Monate“, denn mit den meisten seiner RatskollegInnen teile er dieselben Ziele, und könne Kompromisse erarbeiten, die „für den größten Teil der Bevölkerung in Schorndorf nachvollziehbar und gerecht sind“. Die einzelnen Teile des Haushalts müsse man „schleifen, feilen oder flexen“, so dass am Ende „ein wunderbares Gesamtkunstwerk“ entstehe.
Gerhard Nickel baute seine Rede auf dem Begriff „Hackney Diamonds“ auf. So würden die Glasscherben nach unruhigen Nächten im Londoner Stadtteil dieses Namens genannt. Er hält es „für unsere vornehmste Aufgabe, solche Zustände in unserer schönen Stadt Schorndorf zu vermeiden“. Dies sei dadurch zu erreichen, dass man den sozialen Zusammenhalt als „Kitt“ bewahre, auch wenn diese Aufgabe den Kommunen nicht leicht gemacht werde, da sie „keine Hilfe von Bund oder Land erwarten dürfen“.
Er appellierte an den Gemeinderat, bei der Förderung der Jugend, der Kinderbetreuung, der Schulen, der Vereine und der kulturellen Einrichtungen „nicht aufzugeben“. Denn: „Jeder dort investierte Cent ist bestens angelegt und bringt gute Rendite. Daher dürfen wir hier nicht sparen“. Seine gesamte Rede hatte er unter die Überschrift „Sparen können wir uns nicht leisten“ gestellt.