Rosa Kamm und die „Herren Abgeordneten“

Rosa Kamm (Foto: pri­vat)

Vor 75 Jah­ren ka­men im Fest­saal des Furt­bach­hau­ses in Stutt­gart 100 Ab­ge­ord­nete aus Nord-Würt­tem­berg und ‑Ba­den zu­sam­men, um der Be­völ­ke­rung nach dem Zwei­ten Welt­krieg eine neue Ver­fas­sung zu ge­ben. Un­ter ih­nen war auch Rosa Kamm aus Schorn­dorf, als eine von ins­ge­samt 7 Frauen in die­sem Gre­mium.

Ihr Mann, Gott­lob Kamm, war eben­falls in diese Ver­fas­sungs­ge­bende Lan­des­ver­samm­lung ge­wählt wor­den, wie auch der ge­bür­tige Schorn­dor­fer Rein­hold Maier, den die ame­ri­ka­ni­sche Mi­li­tär­re­gie­rung we­nige Mo­nate zu­vor zum Mi­nis­ter­prä­si­den­ten der Über­gangs­re­gie­rung be­stimmt hat­ten. Die­ser gab in den Sit­zun­gen hin und wie­der eine Re­gie­rungs­er­klä­rung ab, wo­bei ihm die an­we­sen­den Frauen kei­ner Er­wäh­nung wert zu sein schie­nen, wenn er etwa sagte: „Zur Cha­rak­te­ri­sie­rung der Si­tua­tion möchte ich den Her­ren Ab­ge­ord­ne­ten da­von Mit­tei­lung ge­ben,…“ oder „Die Her­ren Ab­ge­ord­ne­ten müs­sen sich im kla­ren dar­über sein, dass…“.

Tat­säch­lich fin­det sich in den Pro­to­kol­len der Zu­sam­men­künfte kein ein­zi­ger Re­de­bei­trag ei­ner Frau – ab­ge­se­hen von Mar­ga­rete Hüt­ter, der Chef­dol­met­sche­rin von Oberst Daw­son, dem Lei­ter der ame­ri­ka­ni­schen Mi­li­tär­re­gie­rung, die des­sen Worte auf Deutsch vor­trug. Sie war üb­ri­gens spä­ter Ab­ge­ord­nete des 1. Deut­schen Bun­des­tags und wurde 1972 zur Lei­te­rin der Bot­schaft in San Sal­va­dor er­nannt. So­mit ist sie die erste Bot­schaf­te­rin der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land.

Rosa Kamms Name taucht nur drei Mal im Pro­to­koll auf: als „dienst­lich ver­hin­dert“ in der Auf­zäh­lung der Ab­we­sen­den. Meis­tens er­grif­fen die Spre­cher der Frak­tio­nen das Wort, und dies teils sehr aus­gie­big und grund­sätz­lich. So er­klärte etwa Theo­dor Heuss: „De­mo­kra­tie ist Herr­schafts-Auf­trag auf Frist. Das Ent­schei­dende der De­mo­kra­tie ist die Künd­bar­keit der Herr­schaft, das Kün­di­gungs­recht, das beim Volke liegt.“

Würt­tem­berg-Ba­den 1946

Von den 100 Volks­ver­tre­te­rIn­nen in der Ver­fas­sungs­ge­ben­den Lan­des­ver­samm­lung ge­hör­ten 41 Per­so­nen der CDU an, 32 der SPD, 17 der „De­mo­kra­ti­schen Volks­par­tei“, und 10 der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei. Die CDU hatte 3 Frauen in ih­ren Rei­hen, SPD und KPD je­weils 2.

Der Ver­samm­lung ob­lag es, in ins­ge­samt 17 Sit­zun­gen, die zwi­schen Juli und No­vem­ber statt­fan­den, den Ent­wurf der Ver­fas­sung, der u.a. von Staats­recht­ler Prof. Carlo Schmid (SPD) aus­ge­ar­bei­tet wor­den war, in sei­nen ein­zel­nen Punk­ten zu dis­ku­tie­ren und am 24. Ok­to­ber 1946 ab­zu­seg­nen. Nach­dem der Ent­wurf dann per Volks­ab­stim­mung am 24. No­vem­ber 1946 von der Be­völ­ke­rung mit über­wie­gen­der Mehr­heit an­ge­nom­men wurde, trat die Ver­fas­sung am 28. No­vem­ber 1946 in Kraft.

Wie Rosa Kamms Toch­ter Ur­sel Kamps er­zählt, be­ka­men ihre El­tern fortan je­des Jahr an Hei­lig­abend eine Weih­nachts­stern-Pflanze auf Kos­ten der Lan­des­re­gie­rung ge­schenkt – als An­er­ken­nung für ih­ren Ein­satz in der Ver­fas­sungs­ge­ben­den Lan­des­ver­samm­lung 1946.

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