Paula Haushahn

Foto: Fa­mi­lie Haus­hahn

Ge­denk­tag
Heute vor 123 Jah­ren kam Paula Haus­hahn zur Welt. Sie war Schorn­dorfs erste Lo­kal­jour­na­lis­tin. 1888 hatte ihr Va­ter, der Buch­dru­cke­rei­be­sit­zer Adolf Haus­hahn, die de­mo­kra­ti­sche Zei­tung „Schorn­dor­fer Volks­blatt“ ge­grün­det, für das sie Be­richte ver­fasste und als An­zei­gen­lei­te­rin fun­gierte.

Als Haus­hahns Ver­lag samt Buch­dru­cke­rei im Jahr 1940 von der NS-Presse über­nom­men wurde, musste sie ih­ren Le­bens­un­ter­halt ge­zwun­ge­ner­ma­ßen beim „Schorn­dor­fer Kreis­blatt“ ver­die­nen. Be­acht­lich ist, dass sie dort dem Ver­lags­lei­ter Vik­tor Ma­thi­o­szek, der nach ih­ren Aus­sa­gen ein „ty­pi­scher Nazi mit dem gol­de­nen Par­tei­ab­zei­chen“ war, in der Ge­schäfts­stelle Haus­ver­bot er­teilte, und ihn schließ­lich aus sei­nem Amt ver­trieb. Und dies, ob­wohl der Schrift­lei­ter der Zei­tung, Dr. Böh­mer, „nie ge­wagt hat, ihm die Türe zu wei­sen, auch wenn er ihn noch so be­lei­digt und ge­quält hat“.

„In ei­nem El­tern­haus er­zo­gen, in dem die Ge­dan­ken von Völ­ker­ver­stän­di­gung und De­mo­kra­tie im stän­di­gen Kampf ge­gen kon­ser­va­tive und all­deut­sche Kreis ver­foch­ten wur­den, kam ich schon sehr frühe mit der Po­li­tik in Be­rüh­rung und habe mich mit Lei­den­schaft den An­sich­ten mei­nes Va­ters zu­ge­wandt“, schreibt Paula Haus­hahn 1946 an die Spruch­kam­mer, die über ihre Rolle im Drit­ten Reich zu ur­tei­len hatte. „Es ist auch nicht so, dass ich den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus nur bis zum Jahre 1933 mit den mir zu Ge­bote ste­hen­den Mit­teln be­kämpft habe. Ich habe auch nach 1933 über­all, wo es mir mög­lich war, meine Mei­nung of­fen aus­ge­spro­chen.“

Seit Som­mer 1937 habe sich ihr „Wi­der­stre­ben ge­gen den Na­tio­nal­so­zia­lis­mus auf eine Per­son ver­dich­tet, den Ver­lags­lei­ter des ‚Schorn­dor­fer Kreis­blatt‘ Ma­thi­o­szek“. Die­ser „war Blut­or­dens­trä­ger (mit hand­schrift­lich ge­schrie­be­ner Post­karte Hit­lers) und je­der, der weiss, wie sich die­ser Mann hier ge­bär­det und mit wel­cher Macht­glo­rie er sich um­ge­ben hat, kann er­mes­sen, dass ich doch im­mer­hin ei­ni­gen Mut auf­ge­bracht habe, ge­gen ihn Stel­lung zu neh­men und zu er­wir­ken, dass er die Ge­schäfts­stelle Schorn­dorf nicht mehr be­tre­ten durfte“.

In die NS-Frau­en­schaft sei sie 1936 nur auf Wunsch ih­res Bru­ders ein­ge­tre­ten, um „ge­wisse Be­zie­hun­gen zu den Glie­de­run­gen der Par­tei“ auf­zu­bauen, und zwar „im In­ter­esse der Er­hal­tung un­se­res ‚Volks­blatt‘ – das doch im­mer­hin für viele ein letz­ter Hort al­ter recht­li­cher Denk­art war – um dem An­sturm der NS-Presse ge­gen­über Stand hal­ten zu kön­nen.“ Sie er­klärt: „Ich hätte auch von mir aus nie­mals frei­wil­lig un­ser ‚Volks­blatt‘ der NS-Presse über­ge­ben und es war der schwerste Ent­schluss mei­nes Le­bens, die mir an­ge­bo­tene Stel­lung bei der ge­hass­ten Kon­kur­renz an­zu­neh­men“.

Bei ih­rer Über­nahme hatte sie vor Zeu­gen „aus­drück­lich er­klärt“, für diese Zei­tung keine Be­richte ver­fas­sen zu wol­len. „In der Pra­xis hat sich aber ge­zeigt, dass über vie­les, was die Schorn­dor­fer be­wegt hat, nichts in der Zei­tung ge­kom­men wäre, wenn ich nicht selbst dar­über ge­schrie­ben hätte. Vor al­lem nach der Zu­sam­men­le­gung der Zei­tun­gen im Kreis Waib­lin­gen zur „Waib­lin­ger Kreis­zei­tung“ wäre Schorn­dorf ge­gen­über Waib­lin­gen und Welz­heim sehr be­nach­tei­ligt ge­we­sen“, schreibt sie in ih­rer Stel­lung­nahme. „Des­halb habe ich die Lo­kal­be­richt­erstat­tung über­nom­men und spä­ter meine Schrift­lei­ter­prü­fung ge­macht. – Po­li­ti­sche Leit­ar­ti­kel oder po­li­ti­sche Lo­kal­spit­zen habe ich we­der für das ‚Schorn­dor­fer Kreis­blatt‘ noch für die ‚Waib­lin­ger Kreis­zei­tung‘ ge­schrie­ben.“

Die Spruch­kam­mer stufte sie im Fe­bruar 1947 als „Mit­läu­fe­rin“ ein. Der eben­falls aus Schorn­dorf stam­mende Be­frei­ungs­mi­nis­ter Gott­lob Kamm ord­nete je­doch drei Mo­nate spä­ter die Auf­he­bung des Ur­teils an: „Da die Be­trof­fene in der Frau­en­schaft das Amt ei­ner Block­lei­te­rin be­klei­det hat und da sie aus­ser­dem der Reichs­pres­se­kam­mer an­ge­hört hat und von 1941 an als Ge­schäfts­füh­re­rin der Waib­lin­ger Kreis­zei­tung tä­tig war, er­scheint ihre Tä­tig­keit als eine mehr als un­we­sent­li­che Un­ter­stüt­zung des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus“.

Dem hielt der von Paula Haus­hahn be­auf­tragte Rechts­an­walt Wolf­gang Hauß­mann ent­ge­gen, dass sie nie Mit­glied in der NSDAP war und meinte: „Dass sie den Ver­lo­ckun­gen der Par­tei und ih­ren Dro­hun­gen zu­gleich Wi­der­stand ge­leis­tet hat, wäh­rend Tau­sende und Aber­tau­sende un­ter glei­chen Um­stän­den um­ge­fal­len sind, be­weist schla­gend ihre de­mo­kra­ti­sche Grund­hal­tung.“ Hin­sicht­lich ih­res Ein­tritts in die NS-Frau­en­schaft ar­gu­men­tierte er, dass die Par­tei es „sehr ge­schickt ver­stan­den“ habe, die­ser Or­ga­ni­sa­tion „nach aus­sen hin ei­nen für­sor­ge­ri­schen, ca­ri­ta­ti­ven und rein kul­tu­rel­len Cha­rak­ter zu ge­ben.“ Zu­dem hät­ten viele Frauen, „die in­ner­lich völ­lig ab­leh­nend dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ge­gen­über­stan­den“, die Mit­glied­schaft dort ge­wählt, als „ein treff­li­ches Mit­tel, um der Par­tei­mit­glied­schaft zu ent­ge­hen“.

Am 29. Sep­tem­ber 1947 wurde das Ver­fah­ren ge­gen Paula Haus­hahn auf­grund der „Weih­nachts-Am­nes­tie vom 5.2.1947“ ein­ge­stellt. Mit dem ab­schlie­ßen­den Ur­teil: „Sie gilt da­her als vom Ge­setz nicht be­trof­fen.“

Paula Haus­hahn lei­tete von 1948 bis 1966 die Ge­schäfts­stelle der Neuen Würt­tem­ber­gi­schen Zei­tung (NWZ) am Obe­ren Markt­platz und er­hielt le­bens­lang 10 Pro­zent des In­se­ren­ten­um­sat­zes, weil sie dort ihre frü­he­ren Abon­nen­ten ein­ge­bracht hatte. Sie starb am 11. Fe­bruar 1989, ei­nen Mo­nat nach ih­rem 90. Ge­burts­tag. In sei­nem Nach­ruf be­schei­nigte ihr der Re­dak­ti­ons­lei­ter Hans Pe­ter Bur­chard: „Die da­ma­li­gen Schorn­dor­fer Nach­rich­ten der NWZ ge­wan­nen un­ter ih­rer Füh­rung an Be­deu­tung und An­se­hen.“ Dass sie es er­reicht hatte, den NS-Mann Ma­thi­o­szek aus der Schorn­dor­fer Ge­schäfts­stelle der Zei­tung zu ver­trei­ben, hat Paula Haus­hahn nach ei­ge­ner Aus­sage zeit­le­bens be­frie­digt.

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