Kommentar
Das Rathaus teilt mit, dass dort ein „neues System für leistungsorientierte Bezahlung“ ausprobiert wird. An die Stelle von Bewertungen durch Vorgesetzte trete somit ein demokratischer Mechanismus: Alle Beschäftigten dürfen ihrer Kollegin oder ihrem Kollegen eine „LOB-Karte“ zukommen lassen. LOB steht dabei für „leistungsorientierte Bezahlung). Und: Je mehr Kärtchen, desto höher die Leistungszulage am Jahresende.
Gäbe es im Rathaus eine Frauenbeauftragte, würde diese darauf hinweisen, dass ein solches System Frauen diskriminiert.
Im Gegensatz zu Männern fällt es ihnen nämlich nach wie vor schwer, ihre Taten an die große Glocke zu hängen. Tun sie es aber doch, wird ihnen gern Profilierungssucht vorgeworfen. Doch wenn keiner mitbekommt, was sie tun, gibt es auch kein LOB-Kärtchen. Weder vom Chef noch von Gleichrangigen oder Untergebenen (wie in dem System ausdrücklich vorgesehen).
Die Frauenbeauftragte könnte – ganz pragmatisch – die weiblichen Bediensteten daher in Sachen Selbst-PR schulen. Und auch gleich in Sachen Netzwerken und Seilschaften: Immer schön den Chef loben, dann wird er auf mich aufmerksam und revanchiert sich seinerseits mit einem LOB-Kärtchen.
Beispielsweise kann man den Oberbürgermeister dafür loben, dass er kürzlich durch einem Brandbrief zusammen mit seinen Kollegen Arnold und Palmer die Stadt überregional in die Medien gebracht hat.
Die Kriterien für die Kartenvergaben lauten:
1. Es muss ein Mehrwert für die Bevölkerung oder die Verwaltung entstanden sein.
2. Die Leistung muss über die eigentliche Tätigkeit hinausgehen.
3. Die Aktion muss auffallend und sichtbar sein.
Es fehlt Punkt 4:
Diese „Kür“ darf erst dann erfolgen, wenn alle Pflichtaufgaben vollständig erfüllt sind.
Kein Mensch erwartet, dass die Belegschaft des Rathauses vor visionären Ideen nur so sprüht. Man erwarten, dass dort der Laden läuft. Dass man z. B. einen Pass in kürzester Zeit ausgestellt bekommt und dass die Mülleimer in der Fußgängerzone nicht überlaufen.
Deshalb will ich an dieser Stelle ausdrücklich all jenen, die diese Pflicht jeden Tag treu erfüllen, ein ganz fettes LOB aussprechen.