Kommentar«
Als Diana Lutz vorgestern zu Beginn der Gemeinderatssitzung in ihr Amt als nachgerückte Stadträtin für die Grünen verpflichtet wurde, verwendete OB Hornikel den Begriff der „kommunalen Familie“, in die sie damit aufgenommen worden sei. Was von ihm gut gemeint war, könnte freilich auch zu großer Sorge Anlass geben.
Man braucht sich dabei den Gemeinderat nicht gleich als „la famiglia“ im mafiösen Sinne vorstellten. Es bedarf keiner krummen Geschäfte, Bestechungen oder Mord und Totschlag. Es reicht bereits, sich eine stinknormale Familienzusammenkunft in deutscher Tradition auszumalen – das ganz alltägliche Grauen.
Da ist beispielsweise der Patriarch. Er ist davon überzeugt, dass er den vollen Durchblick hat. Und zwar als einziger. Alle anderen sind zu jung oder zu doof oder beides. Deshalb ist er es, der festlegt, wann das Abendessen beginnt, und was man dort isst.
Wie in jeder Familie gibt es natürlich auch das schwarze Schaf: ein entfernter Cousin, der nach allgemeinem Dafürhalten auf die schiefe Bahn geraten ist, und den man eigentlich gar nicht einladen wollte, aber leider aus Anstandsgründen nicht drum herumkam. Und dann hat dieser Kerl doch die Frechheit besessen, nicht etwa dankend abzulehnen, sondern tatsächlich aufzutauchen.
Ein Grüppchen alter Tanten gluckt in einer Ecke auf dem Sofa zusammen und beobachtet mit Habichtsaugen, wer es von der restlichen Familie wagen sollte, dieser „persona non grata“ auch nur ein Lächeln zu schenken, oder ihm gar die Hand zum Gruß zu reichen. Falls es womöglich jemanden einfallen sollte, ein längeres Gespräch mit ihm zu führen, müssen schnell die Riechfläschchen her, bevor eine der Tanten in Ohnmacht fällt.
Auch etliche junge Schwager nutzen den Auftritt des unliebsamen Cousins, um sich beim Patriarchen mit abfälligen Bemerkungen einzuschmeicheln. Denn ihr Hauptinteresse ist, vom Oberhaupt als Nachfolger auserkoren zu werden, um dereinst selbst einmal über den gesamten Clan bestimmen zu können.
Nicht fehlen darf auch jener Onkel, der sich als Philosoph geriert und mit feingeistigen Worten zu Eintracht und Toleranz aufruft. Der aber nur redet, und seinen Worten keine Taten folgen lässt.
Ganz anders: die eine oder andere Frau, die jeden Menschen als Kind einer liebenden Mutter ansieht und daher den Cousin bei der Begrüßung selbstverständlich an ihr Herz drückt.
Jeder Mensch kennt die komplizierten Strukturen innerhalb einer großen Familie mit vielen unterschiedlichen Charakteren und Interessen. Unser Gemeinderat umfasst 32 Sitze. Dazu kommen mindestens noch einmal so viele Vertreter der Verwaltung.
Ich wünsche mir, dass Diana Lutz ihr neues Wirkungsfeld dort nicht als Familie ansieht. Sondern als ein Forum für den konstruktiven Austausch von Argumenten durch Volksvertreter zum Wohle der Stadt und ihrer Menschen.
Die 3.261 Stimmen, die Diana Lutz bei der Wahl vor fünf Jahren erhielt, stammen – da man ja bis zu drei Stimmen auf eine Person kumulieren darf – von mindestens 1.087 Menschen, realistisch also von plus/minus 2.000 BürgerInnen.
Denen ist sie verpflichtet.
Nur denen.
Und ihrem Gewissen.