Kommentar«
Heute Abend soll der Gemeinderat den Bebauungsplanentwurf „Niederfeld“ Haubersbronn auf den Weg bringen. Dies, obwohl das neue Gewerbegebiet laut Vorlage „teilweise im Hochwassergefahrenbereich HQ extrem“ liegt – und wir vor vier Wochen erlebt haben, was das in der Praxis bedeutet.
Begründet wird der Plan damit, dass man „vor allem den ortsansässigen Betrieben die Gelegenheit für eine Expansion“ geben, aber auch „Neuansiedlung“ ermöglichen wolle, um „den regional bedeutsamen Wirtschaftsstandort Schorndorf zu stärken“.
Allerdings will man dies laut Sitzungsvorlage im „Niederfeld“ ausgerechnet in einem Gebiet tun, wo „hochwertige Böden“ für die Landwirtschaft vorherrschen, und ebenso bekannt ist, dass mit der Versiegelung von Flächen „negative Auswirkungen“ auf das Klima drohen.
Die Gretchenfrage lautet also: „Wie hältst du’s mit dem Klimaschutz?“ Und sehr schön wird an diesem Beispiels sichtbar, dass die Verwaltung anscheinend meint, allein mit der Einrichtung einer Klimaschutz-Stabsstelle ihre Hausaufgaben bereits erledigt zu haben. Die darin bestehen, auf dem Unteren Marktplatz Bäume zu pflanzen und einen Springbrunnen zu installieren.
Mündige BürgerInnen empfinden das als Augenwischerei. Sie erwarten von Verwaltung und Gemeinderat, dass der Schutz der Umwelt, der Schutz unserer Lebensgrundlage genau da ansetzt, wo es nötig ist. Nämlich dann, wenn die Gefahr besteht, dass ein zuvor intaktes System zerstört wird.
Nun sagen manche Ratsherren, man habe ja keine andere Wahl und müsse unbedingt neue Gewerbegebiete ausweisen. Weil man damit nämlich Einnahmen generiert, die dringend benötigt werden, da die Stadt so hoch verschuldet ist. Warum? Weil sie zuvor das Geld höchst spendabel für „Leuchttürme“ ausgegeben hat und auf so manche Zuwendung an Lieblingsprojekte nicht verzichten möchte.
Dass man dafür fruchtbare Böden opfert, ist eins. Dass man Geld nicht essen kann, wissen wir schon lange. Dass man aber die Lebensgrundlage der Haubersbronner BürgerInnen durch eine weitere Versiegelung von Flächen – und das auch noch unmittelbar nach der Flutkatastrophe – zusätzlich gefährdet, lässt auf einen bemerkenswerten Mangel an Sensibilität im Rathaus schließen.
Unbestritten ist, dass Kommunen finanziell auf Einnahmen von Gewerbetreibenden angewiesen sind. Diese kommen aber auch vom Innenstadthandel. Doch dem will man in Schorndorf die dafür nötigen Kundenparkplätze wegnehmen und diese quasi als Wohlfühlorte „renaturieren“ – um dafür dann draußen in Haubersbronn Ackerböden zuzubetonieren. Verrückte Welt!
Kommunalpolitik ist die Kunst, dass man Bedürfnisse, die einander widerstreben, möglichst gut unter einen Hut bekommt. Manchmal scheint es so, als ob man im Rathaus immer nur kurzsichtig auf das gerade aktuelle Projekt starrt.
Da lässt man sich dann von einem Gutachten einlullen und glaubt blindlings, dass mit „Ausgleichsflächen“ alle negativen Auswirkungen aus der Welt geschaffen seien. Etwas mehr (weiblicher) Weitblick, der die komplexen Folgen mitbedenkt, sowie die Fähigkeit, für die Belange der Einwohnerschaft mutig einzutreten, sind das Gebot der Stunde.
Bei der Flutkatastrophe im Wieslauftal wurden wir schlagartig wieder daran erinnert, was wirklich wichtig ist im Leben. Heute Abend kann man im Rathaus den warmen Worten tatsächlich Taten folgen lassen.