Dr. Antonie Lohss

(Foto: Stadt­ar­chiv Ger­lin­gen)

Ge­denk­tag
Sie war die erste Ärz­tin, die sich in Schorn­dorf mit ei­ner ei­ge­nen Pra­xis nie­der­ließ: Dr. An­to­nie Lohss ist heute vor 130 Jah­ren, am 13. Juli 1891, zur Welt ge­kom­men.

Als Dr. med. An­to­nie Lohss 1925 ihre Pra­xis in Schorn­dorf in der Ai­chen­bach­straße 57 er­öff­nete, sa­hen ihre männ­li­chen Kol­le­gen diese neue Kon­kur­renz nicht sehr gern, be­rich­tete ihre Toch­ter Luise vor ei­ni­gen Jah­ren. Das habe sich spä­ter je­doch ge­legt. Und im Zwei­ten Welt­krieg wa­ren die Schorn­dor­fer so­gar sehr froh, dass es sie gab. Schließ­lich wa­ren alle ärzt­lich nie­der­ge­las­se­nen Män­ner in den Krieg ein­ge­zo­gen wor­den und sie si­cherte ganz al­lein die me­di­zi­ni­sche Ver­sor­gung der Be­völ­ke­rung, die zu­vor von 16 Ärz­ten ge­leis­tet wor­den war.

An­to­nie Lohss war die Toch­ter des Kauf­manns Hein­rich Baetz, der in Cannstatt eine Ei­sen­wa­ren­hand­lung be­trieb. Als sie ihr Ab­itur im Jahr 1911 machte, war sie eine von nur 20 Mäd­chen in ganz Würt­tem­berg – ne­ben 635 männ­li­chen Ab­itu­ri­en­ten. Ab 1912 stu­dierte sie in Tü­bin­gen Me­di­zin, spä­ter in Mün­chen, Ber­lin und Hei­del­berg. Der Erste Welt­krieg er­wies sich für sie als gro­ßer Vor­teil. Zu­vor fan­den stu­dierte Frauen oft kei­nen Prak­ti­kums­platz. Nun aber, da viele Ärzte an die Front ge­schickt wor­den wa­ren, fehl­ten sie in der Hei­mat. Nach Ende des Kriegs wurde Frauen in Hei­del­berg dann das Me­di­zin­stu­dium wie­der ganz ver­wehrt. Die Stu­di­en­plätze wa­ren den heim­keh­ren­den Sol­da­ten vor­be­hal­ten.

Die junge An­to­nie Baetz er­hielt 1918 ihre ärzt­li­che Ap­pro­ba­tion und be­gann in Stutt­gart am Olga-Hos­pi­tal ih­ren be­ruf­li­chen Wer­de­gang als As­sis­tenz­ärz­tin. Be­reits zwei Jahre spä­ter, im Früh­jahr 1920, er­öff­nete sie ihre erste Arzt­pra­xis in Ger­lin­gen, im Au­gust hei­ra­tete sie Max Lohss in des­sen Hei­mat­stadt Welz­heim. Er war zu die­ser Zeit Leh­rer am Hö­he­ren Töch­ter In­sti­tut in Stutt­gart. Als er 1925 an die Ober­re­al­schule nach Schorn­dorf ver­setzt wurde, wa­ren be­reits zwei Kin­der ge­bo­ren: Luise Mar­ga­rete und Fried­rich Wil­helm, der spä­ter selbst Arzt wurde. Hier in Schorn­dorf brachte An­to­nie Lohss drei wei­tere Kin­der zur Welt: 1927 Eli­sa­beth, 1928 Otto Ge­org und 1930 Diet­rich. Die Fa­mi­lie wohnte in der Ai­chen­bach­straße 59 und die Pra­xis be­fand sich im Ne­ben­haus. Haus­be­su­che machte An­to­nie Lohss im ei­ge­nen Auto.

An­nonce im „Schorn­dor­fer An­zei­ger“ vom 4. Juli 1925

Wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs war An­to­nie Lohss La­ger­ärz­tin im Frau­en­la­ger Ru­ders­berg. Zwar wurde von ei­ni­gen Zeu­gen an­ge­ge­ben, dass sie die Häft­linge dort men­schen­un­wür­dig be­han­dele. Doch ver­si­cher­ten an­dere, dass ihr Um­gang mit den Pa­ti­en­ten fach­lich nicht zu be­an­stan­den ge­we­sen sei. Sie sei nur in der Art et­was kurz an­ge­bun­den ge­we­sen, was man­chen als barsch er­schien. Kein Wun­der: Sie hatte „wäh­rend des Krie­ges die Ar­beit von min­des­tens 16 Aerz­ten im Kreis zu­gleich ver­rich­tete, so­lange diese bei der Wehr­macht Dienst ver­rich­te­ten“, be­rich­tete der stell­ver­tre­tende Bür­ger­meis­ter Ba­cher nach dem Krieg im Zuge ih­res Spruch­kam­mer-Ver­fah­rens.

Sie wurde schluss­end­lich als „Min­der­be­las­tete“ ein­ge­stuft, da sie Mit­glied u.a. im NS-Ärz­te­bund und in der NSDAP war, sich je­doch „par­tei­po­li­tisch nicht be­tä­tigt hat, ihre äus­serste Kraft im Dienst der Be­völ­ke­rung in Stadt und Land als Aerz­tin her­ge­ge­ben hat.“ An­to­nie Lohss ar­bei­tete auch nach Ende des Kriegs über Ge­bühr viel. Im April 1947 er­litt sie ei­nen Schlag­an­fall, der sie links­sei­tig lähmte. Nach ei­nem wei­te­ren Schlag­an­fall starb sie am 4. No­vem­ber im Jahr drauf mit nur 57 Jah­ren.

In der Spruch­kam­mer-Akte ist zu ih­rer Ent­las­tung dar­über hin­aus an­ge­führt, sie habe Aus­län­de­rin­nen in ih­rer Pri­vat­woh­nung un­ter­ge­bracht so­wie sich ei­nes po­li­tisch Ver­folg­ten „in der Kriegs­zeit stets hilf­reich an­ge­nom­men, wenn er durch kör­per­li­che Be­schwer­den an der Ar­beit be­hin­dert ge­we­sen sei.“ Und die Schorn­dor­fe­rin Mag­ret Grei­ner ist über­zeugt, dass ihr Mann, der in der Gärt­ne­rei sei­ner El­tern, vis-à-vis des Lohss’schen Hau­ses auf­wuchs, die­ser Ärz­tin sein Le­ben ver­dankt. Im­mer mal wie­der sei es vor­ge­kom­men, so er­zählt sie, dass die Ärz­tin mit ih­rem Auto in ei­nem Gra­ben ge­lan­det war. Dann bat sie den Nach­bars­bur­schen: „Ger­hard, du musst mir hel­fen“.

Als er dann im Zwei­ten Krieg nach ei­nem Hei­mat­ur­laub wie­der hätte zu­rück an die Front müs­sen, ging er zu An­to­nie Lohss und sagte: „Ich hab dir so oft ge­hol­fen, jetzt musst du mir hel­fen.“ Er bat sie um eine Un­taug­lich­keits­be­schei­ni­gung, und sie stellte ihm diese aus. Die meis­ten sei­ner Jahr­gangs­ge­nos­sen seien aus dem Krieg nicht mehr heim­ge­kom­men, er­zählt Mar­gret Grei­ner: „Sie hat ihm das Le­ben ge­ret­tet.“

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