Die „Weiber-Tat“ ist keine Legende

Ge­denk­tag
Ex­akt 333 Jahre ist es her, dass der Göp­pin­ger Vogt am 16. De­zem­ber 1688 über die „Wei­ber von Schorn­dorf“ schrift­lich be­rich­tete. Da­durch wis­sen wir, dass die da­ma­lige Ret­tung der Stadt durch mu­tige Frauen keine Le­gende ist, son­dern „po­li­ti­sches Han­deln“, wie der ehe­ma­lige Stadt­ar­chi­var Uwe Jens Wan­del er­klärt. Und dass sie die­ses be­mer­kens­wer­ter­weise zu ei­ner Zeit an den Tag leg­ten, „da den Frauen auch die al­ler­min­deste Teil­habe am öf­fent­li­chen Le­ben ver­wehrt war“ und sie „wie un­mün­dige Kin­der be­han­delt wur­den“.

Von Da­niel Speer sind die De­tails be­kannt: Die Schorn­dor­fe­rin­nen hat­ten jene Ge­sand­ten aus Stutt­gart, die die hie­sige Ob­rig­keit zur Über­gabe der Stadt an die Fran­zo­sen auf­for­der­ten, der­art be­drängt, dass diese sich ins Rat­haus flüch­ten. Und dort wur­den sie nicht mehr raus­ge­las­sen. Drei Nächte und zwei Tage hiel­ten 40 Frauen Wa­che auf dem Markt­platz. Die von Speer als „Ama­zo­nes“ Be­zeich­ne­ten hat­ten ein Feuer ent­zün­det, und wech­sel­ten sich mit dem Wach­dienst ab. „Die bö­ses­ten Wei­ber wur­den zur Of­fi­cie­rin ge­macht, und das war ihr Zei­chen: dass sol­che De­gen an der Seite, und kurze Ge­wehre tru­gen“, schrieb Speer in sei­nem un­mit­tel­bar da­nach ge­druck­ten Flug­blatt über das „Schorn­dorf­fi­sche Wei­ber-Volck“.

Ein­zig der Stadt­kom­man­dant Krumm­haar war auf ih­rer Seite. Er wollte die ihm an­ver­traute Fes­tung nicht ein­fach dem Feind preis­ge­ben. Als nach zwei Ta­gen die Nach­richt kam, dass Trup­pen zur Un­ter­stüt­zung an­rü­cken, ent­lie­ßen die Frauen ihre Ge­fan­ge­nen. Die Stadt wurde laut Speer durch diese „Wei­ber-Cou­rage“ ge­ret­tet, wes­halb man sie im „ewi­gen Ruhm-Ge­dächt­nis“ be­hal­ten solle.

Da­niel Speer, der in Göp­pin­gen als Schrift­stel­ler und Kom­po­nist lebte, hatte seine Flug­schrift über die Wei­ber-Tat mit der Au­toren­an­gabe „Eine wahr­heits­lie­bende Fe­der“ ver­se­hen, wurde aber bald als Ur­he­ber ent­deckt. We­gen sei­ner Kri­tik an der fran­zö­si­schen Be­sat­zung in­haf­tierte man ihn im Fe­bruar 1689 auf dem Ho­hen­neuf­fen bis Ende des Jah­res.

Erst in spä­te­ren Schrif­ten über die Schorn­dor­fer Wei­ber wurde Bar­bara Kün­ke­lin zu de­ren An­füh­re­rin er­klärt. Anno 1688 war sie frei­lich noch mit Bür­ger­meis­ter Walch ver­hei­ra­tet.

Im Laufe der Zeit wurde die his­to­ri­sche „Wei­ber-Tat“ gern für Werbe-Zwe­cke ge­nutzt. So gab es etwa „Schorn­dor­fer La­krit­zen“ mit dem Bild der Frauen auf dem Do­sen-De­ckel. In der NS-Zeit wurde Kün­ke­l­ins Mut in ei­nem Ge­dicht mit dem von Hit­ler ver­gli­chen („Du hiel­test Schorn­dorfs Mauer, Er hält das ganze Reich!“). Und ak­tu­ell hat Re­nate Busse die Kün­ke­lin-Fi­gur mit ei­nem Mund-Na­sen-Schutz ver­se­hen und lässt sie ein Ban­ner hal­ten, auf dem steht: „Hal­tet durch – mit Maske“.

Für Ge­schichts­in­ter­es­sierte hier der Wort­laut des Be­richts vom Göp­pin­ger Vogt:
„Dar­bey ist dise avan­ture ge­sche­hen, daß, alß die Wei­ber in Schonr­dorff ge­hört, daß Her­ren von Stut­gardt kom­men seyn, wel­che auff dem Rat­hauß von über­gab der Vös­tung an die fran­zo­sen pro­po­si­tion gethan hat­ten, sie, die Wei­ber, häuf­fig vors Rat­hauß hin­gel­of­fen, und selbe nicht mehr herun­der la­ßen wol­len.“

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