Kommentar
Verglichen mit der alten Tante SPD sind die Grünen eine sehr junge Partei. Den Kinderschuhen zwar entwachsen, befinden sie sich jetzt offenbar mitten in der Pubertät. Besonders in Schorndorf. Mit der Radikalität, die durch den Zuwachs neuer Kräfte entsteht, sprich: unerbittlich von der eigenen Weisheit überzeugt, alles andere in Bausch und Bogen ablehnen, gleichzeitig aber sehr empfindlich selbst auf Kritik reagieren.
Der Austritt von Stadtrat Andreas Schneider aus der Gemeinderatsfraktion ist nicht nur der dritte Fall von Abspaltung dort, er zeigt auch die Grundproblematik dieser Partei auf: Hatten die Grünen in ihren Anfängen jeden Beschluss im Konsens gefällt, d.h. so lange diskutiert, bis alle einverstanden waren, so verfallen sie jetzt ins andere Extrem à la „Wir ticken zu unterschiedlich, also trennen wir uns lieber“, statt zu versuchen die Positionen zu verbinden.
Der Volksmund weiß: Es gehören immer zwei dazu, um sich zu streiten. Und selten liegt die Schuld einzig auf einer Seite. Es ist davon auszugehen, dass in der Grünen-Fraktion der eine oder die andere durchaus froh ist, Andreas Schneider nun loszuhaben, vielleicht sogar darauf hingearbeitet hat. Das ist nicht verwunderlich, denn Andreas Schneider kann anstrengend sein. Er sucht in seinen Gegenübern Sparringpartner für die Entwicklung der eigenen Gedanken und möchte stets den Disput gewinnen. Das ist nicht einfach zu ertragen. Und doch hat er auch sehr wertvolle Beiträge für seine Fraktion und die gesamte Stadt geleistet, wie bei seinem Einsatz für den Feuersee und den Alten Friedhof.
Zuletzt hatte Andreas Schneider kräftig Prügel bezogen, weil er sich der Parteilinie widersetzte, die mehr Flüchtling im Land aufnehmen will als sie gesetzlich müsste. Da er beruflich mit jungen Flüchtlingen zu tun hatte, hielt er manche Vorstellungen seiner Partei für realitätsfern. Über einen Parteikollegen sagte er einmal: „Der trägt ein T‑Shirt, auf dem steht „Refugees welcome“. Wie will er denn mit denen klarkommen, wenn er noch nicht mal mit mir gut auskommt, und ich kann ja sogar noch Deutsch?!“
Hier zeigt Schneider gnadenlos auf, was einer der größten Widersprüche in seiner Partei: Für Menschen in anderen Ländern, die politisch verfolgt sind, weil ihre Meinung der Obrigkeit missfällt, hat sie größtes Mitgefühl. Im eigenen Land hingegen diffamiert sie jene, die genau das Gleiche tun: Seien es Demonstranten gegen Corona-Maßnahmen auf dem Marktplatz, seien es die Stadträte der AfD, mit denen man das kollegiale Gespräch meidet wie der Teufel das Weihwasser.
Demokratisches Miteinander war ursprünglich nicht so gedacht. Doch wenn man den Grünen nur das Zauberwort „rechts“ hinwirft, setzt zuverlässig das eigene Denken aus.