
„Die Beleuchtung des Kirchturms ist Sache der Kirchengemeinde“, teilte die Rathaus-Pressestelle auf Anfrage mit. Um Energie zu sparen, würden seitens der Stadt lediglich Straßenbeleuchtungen reduziert und die Finnenbahn am Sportpark abgeschaltet. Die Dekanin der evangelischen Kirche, Dr. Juliane Baur, hingegen sagt, sie gehe davon aus, dass die Kirchturmbeleuchtung an die Straßenlaternen gekoppelt ist. Daher habe es sie auch verwundert, als sie von ihrem Sommerurlaub zurückkam und der Kirchturm immer noch angestrahlt war.
Eine erneute Anfrage im Rathaus führte nach drei Tagen zu der Auskunft von Pressesprecherin Claudia Lösler: „Die Beleuchtung der Stadtkirche läuft zur Hälfte über den Stromverteiler der Stadt und zur Hälfte über den der Kirche. Die Hälfte, die über die Stadt läuft, wird in Kürze abgeschaltet.“ Dekanin Baur vermutet, dass Lösler mit der anderen Hälfte die Weihnachtsbeleuchtung meint, die in den Händen der Kirche liege. Zur Klärung des Themas habe sie vor, mit der Stadtverwaltung „zeitnah ins Gespräch zu kommen“.
Im Übrigen ist die Beleuchtung sogar verboten. Seit zwei Jahren. Im Juli 2020 beschloss dies der Landtag Baden-Württembergs im neuen Naturschutzgesetz – als Reaktion auf das Volksbegehren „Rettet die Bienen“.
Im „Gesetz zum Schutz der Natur und zur Pflege der Landschaft“ steht unter § 21: Es ist im Sommer ganztägig sowie von 1. Oktober bis 31. März zwischen 22 Uhr und 6 Uhr „verboten, die Fassaden baulicher Anlagen der öffentlichen Hand zu beleuchten“ – mit der Einschränkung „soweit dies nicht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit erforderlich“ oder „durch Rechtsvorschrift vorgeschrieben“ ist. Für alle Außenbeleuchtungen müsse die Schädigung der Insektenfauna, „überprüft“ und der Artenschutz „berücksichtigt“ werden.
Wenn etwas gesetzlich verboten ist, wie kann es sein, dass das vollkommen ignoriert wird? Warum konnte der Kirchturm monatelang weiter beleuchtet werden? Die Pressesprecherin des Umweltministerium, Bettina Jehne, liefert die Erklärung: „Strafvorschriften sind landesrechtlich nicht möglich, hier hat der Bund die alleinige Kompetenz“, Gleiches gelte für Bußgelder. Also: Niemand wird bestraft, wenn er dieses Verbot missachtet.
Hinzu komme: „Bußgelder können nur bei einem individuellen Fehlverhalten verhängt werden. Da sich das Verbot in diesem Fall an Kommunen und nicht an Individualpersonen richtet, ist auch das Verhängen eines Bußgelds rechtlich nicht zulässig.“ Statt der Einhaltung von Gesetzen per Strafen Nachdruck zu verleihen, werde hier lediglich auf Einsicht gesetzt.
So versuche das Ministerium, wie Jehne erläutert, „die Kommunen über den Sinn und Zweck des Verbots aufzuklären und bei ihnen Bewusstsein und Verständnis für die Erforderlichkeit der Verringerung der Lichtverschmutzung zu wecken“, nicht zuletzt, indem es an ihre „Vorbildfunktion“ appelliere. Ein entsprechendes Schreiben sei im Mai 2021 an alle Gemeinden im Land versandt worden, und „daran arbeiten wir selbstverständlich auch weiter“.
Zusätzlich hätten sich im Juli bei einem „Krisengipfel zur Gasversorgung“ das Land samt Wirtschaft, Kommunen und Verbänden „zum Energiesparen bekannt“, was als „starkes und geschlossenes Zeichen zum gemeinsamen Handeln“ gesehen werde, „um diese Energiekrise solidarisch und im Schulterschluss“ zu bewältigen.