Süße Verlockung

Kom­men­tar«
Drei FDP-Ab­ge­ord­nete aus dem Rems­tal stel­len sich so­li­da­risch ne­ben die Grü­nen-Vor­sit­zende Ri­carda Lang, die nach der Ascher­mitt­woch-Ver­an­stal­tung in der Ma­nu­fak­tur Be­schimp­fun­gen er­lebt hat. Doch die­ser Schuss geht nach hin­ten los.

Denn: Wie kön­nen sie sich zu et­was äu­ßern, bei dem sie nicht selbst da­bei wa­ren? Hat ir­gend­ei­ner die­ser drei Po­li­ti­ker zu­min­dest mit de­nen ge­spro­chen, die dort pro­tes­tiert ha­ben? Und vor al­lem: Wer die Be­völ­ke­rung da­für rügt, dass sie ihre Mei­nung kund­tut, ist nicht ge­rade ein vor­bild­li­cher De­mo­krat. Gut: Es kommt auf das Wie an, auch auf die Frage, wer pro­tes­tiert. Doch dazu spä­ter.

Zu­nächst ein­mal: Kri­tik vom Sou­ve­rän ist in ei­ner De­mo­kra­tie le­gi­tim. Das muss man als Po­li­ti­ker aus­hal­ten. Kri­tik kann so­gar hilf­reich sein, um das ei­gene Ver­hal­ten zu hin­ter­fra­gen und zu kor­ri­gie­ren. Wenn die drei Ab­ge­ord­ne­ten hier re­flex­haft ver­ur­tei­len, näh­ren sie den Ver­dacht, dass ihre Po­li­tik auch ganz ge­ne­rell nicht ge­rade auf ei­ner gut in­for­mier­ten Grund­lage ge­schieht.

Warum also tun diese Per­so­nen, die be­kann­ter­ma­ßen keine Trot­tel sind, so et­was? Ganz ein­fach: Weil sie im­mer die nächste Wahl im Blick ha­ben. Weil sie Angst ha­ben, ihre Pfründe, ihre Sitze zu ver­lie­ren. Weil ak­tu­ell ihre Par­tei in der Be­deu­tungs­lo­sig­keit zu ver­sin­ken droht.

Die un­glück­li­che Wort­mel­dung der drei Li­be­ra­len ist eine Ver­zweif­lungs­tat: Sie wol­len in der Zei­tung er­wähnt wer­den. Da­für nut­zen sie so­gar ei­nen An­lass, der ihre ei­gene Par­tei gar nicht be­trifft, im Schul­ter­schluss mit ih­rem po­li­ti­schen Geg­ner.

Wer­bung zu ma­chen für sich selbst und das, was man tut, ist an sich nicht ver­werf­lich. Am bes­ten, wenn man Gu­tes für die Be­völ­ke­rung er­reicht hat. Da­mit die das auch er­fährt.

Hier aber wurde lei­der al­les falsch ge­macht: Man be­schimpft we­gen ein­zel­ner we­ni­ger, die sich da­ne­ben be­neh­men, eine ganze Gruppe, mit­hin die­je­ni­gen, die man in den Par­la­men­ten ei­gent­lich ver­tre­ten soll. Man lässt sich vor­schnell zu Aus­sa­gen hin­rei­ßen. Man gibt An­lass zu der Be­fürch­tung, dass man auch an­sons­ten Po­li­tik macht, ohne ge­nau zu wis­sen, worum es ei­gent­lich geht.

Auf je­der Demo gibt es ver­ein­zelt Men­schen, die gern Kra­wall ma­chen. Sich auf diese zu fo­kus­sie­ren, ist ge­fähr­lich. Da­mit tut man der Mehr­heit dort Un­recht. Und über­dies be­steht im­mer auch die Mög­lich­keit, dass sol­che Per­so­nen da­für be­zahlt wer­den.

So wie es be­stellte Cla­queure gibt, die bei Ver­an­stal­tun­gen Bei­fall klat­schen, um das Pu­bli­kum zu mehr Ap­plaus zu ani­mie­ren, gibt es bei De­mons­tra­tio­nen Agents pro­vo­ca­teur, die durch Ge­walt in Tat und Spra­che an­dere mit­rei­ßen wol­len. Mit der Ab­sicht, eine an sich fried­li­che Gruppe in ein schlech­tes Licht zu rü­cken.

Die ein­zel­nen Schreier, die Ri­carda Lang am Mitt­woch Un­flä­ti­ges an den Kopf war­fen, müs­sen gar nicht zwangs­läu­fig be­zahlt wor­den sein. Es reicht, dass sie zu­fäl­lig vor­bei­ka­men, und die Ge­le­gen­heit nutz­ten, ih­rem Frust mal ein biss­chen Luft zu ma­chen. Wer sich diese je­doch für eine Stel­lung­nahme her­aus­pickt, be­lei­digt alle an­de­ren, die aus ei­nem be­rech­tig­ten Grund dort wa­ren.

Wie ge­sagt: Es ge­hört zum Stan­dard-Re­per­toire von Po­li­ti­kern, dar­auf hin­zu­wir­ken, dass ihr Name mög­lichst oft in den Me­dien er­wähnt wird. Denn ge­wählt wird nur, wer be­kannt ist. Dass man da­für Be­ge­ben­hei­ten in­sze­niert oder zu­min­dest in­stru­men­ta­li­siert, ist eine süße Ver­lo­ckung. Als Au­ßen­ste­hen­der kann man das nicht im­mer ohne wei­te­res er­ken­nen.

Hilf­reich ist in sol­chen Fäl­len im­mer die Frage: Wer pro­fi­tiert da­von? Wenn bei­spiels­weise in Bi­ber­ach die Grü­nen ih­ren Ascher­mitt­woch nicht ab­ge­sagt hät­ten, wäre über ihn al­len­falls in der Lo­kal­zei­tung be­rich­tet wor­den. Ihre Ab­sage je­doch ist ein No­vum. So et­was gab es noch nie. Also kam es so­gar in der Ta­ges­schau – und er­zielte bun­des­weit Auf­merk­sam­keit.

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