„Für die Pflege auf die Straße“ lautete das Motto der Kundgebung vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und Ver.di, zu der heute rund 50 Menschen auf dem Oberen Marktplatz erschienen.
„Nach Ausbruch der Pandemie wurde schnell klar, wie unvorbereitet das Gesundheitssystem war“, sagte dort Sabine Diener, Betriebsrätin der Rems-Murr-Kliniken. Obwohl die Regierung dies bereits seit 2012 gewusst habe, „wurde das Gesundheitssystem seither privatisiert und ausgeschlachtet“. Die Folge: Es habe nicht genug Schutzkleidung gegeben: „Wir wurden in diesen Krieg geschickt ohne ausreichende Waffen. Wir haben uns wie Kanonenfutter gefühlt.“
Während der ersten Corona-Hochphase habe es eine große Welle der Solidarität für die Beschäftigten in den Krankenhäusern gegeben, für all jene, die dort einen „Knochenjob“ machten: „Die Arbeitsbelastung ist hoch, Stress und Überstunden sind Alltag. Das ist die Folge einer Politik, die Gesundheit als Ware behandelt und die Gesundheit der Menschen auf dem Altar des Profits und der finanziellen Überschüsse opfert, wie z. B. das sogenannte Fallpauschalensystem, das dafür sorgt, dass für immer mehr PatientInnen immer weniger Zeit eingeplant wird.“ Sie forderte: „Schluss damit! Schluss mit der Profitgier in den Krankenhäusern! Die Ausbeutung der Beschäftigten muss aufhören.“
Ihr Kollege Matthias Fuchs von der IG Metall pflichtete ihr bei: „Es geht um Respekt für die, die diese Arbeit tun.“ Er wundere sich, warum Pflegerinnen und Pfleger sich nicht besser organisieren, und habe zu hören bekommen: „Diese Menschen sind altruistisch, die kümmern sich, die wollen nicht streiten.„
Seiner Meinung nach verbesserten sich die Verhältnisse jedoch nicht, wenn man nicht Druck mache. Solidarität sei wichtig, sonst würden verschiedene Branchen gegeneinander ausgespielt, so dass die Menschen in den Metallberufen gesagt bekommen, sie sollten nicht mehr Lohn fordern, „denn die in den Pflege verdienen noch weniger. – Da werden die einen gegen die anderen ausgespielt. Deshalb ist es wichtig, Solidarität aktiv zu zeigen.“
Er nannte als Beispiel: „Wenn jemand für einen Ölwechsel am Auto mehr Geld bekommt, als die, die die Windeln meiner Eltern wechselt, dann ist das doch Scheiße im wahrsten Sinne des Wortes.“ Und: „Es kann nicht sein, dass acht oder zwölf Menschen so viel Geld haben, wie die gesamte untere Hälfte unserer Gesellschaft. Dieses System ist krank. Und das ändert sich nur, wenn wir uns wehren.“ In der Süddeutschen Zeitung sei kritisiert worden, dass man in diesen Zeiten jetzt nicht streiken dürfe. So würden berechtigte Interessen mundtot gemacht.
„Applaus auf den Balkonen“, erklärte Sabine Diener, „ist eine nette Geste, signalisiert aber auch Folgendes: Macht einfach weiter. Aber protestiere nicht.“ Dies dürfe nicht länger akzeptiert werden: „Solidarität durch Applaus zu zeigen, war gestern. Heute gilt es, aktiv zu werden! Es muss sich grundlegend etwas ändern und zwar schnell. Gemeinsam sind wir stark. Und wir können stärker werden.“
Der Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst, der neben dem Krankenhauspersonal auch für andere Sparten gilt, wie etwa Kindergärten, ist Ende August ausgelaufen. Ver.di fordert 4,8 Prozent mehr Entgelt, mindestens aber 150 Euro pro Monat mehr. Das lehne die Arbeitgeberseite rigoros ab.