Die gebürtige Schorndorferin Selina Holl, die vor knapp 2 Jahren in Altheim (Alb) mit 88,61 Prozent der Stimmen zur Bürgermeisterin gewählt worden war, tritt „mit sehr schwerem Herzen“ zum Ende nächsten Monats von ihrem Amt zurück. Dies hat sie vorige Woche auf der Homepage der 1.800-Seelen-Gemeinde mitgeteilt.
Als Grund nennt sie „die anhaltende Kritik und ein damit verbundenes Misstrauen gegenüber mir und meinen Mitarbeitern“, konkret: „ständig wiederkehrende Beschwerden über unsere Arbeitsleistung“. Diese würden „den Arbeitsablauf massiv beeinflussen und erschweren“.
Es gebe „zahlreiche unerledigte Aufgaben aus der Vergangenheit, die Ressourcen binden“, erklärt sie, weshalb neue Projekte und „die Weiterentwicklung der Gemeinde“ erschwert würden.
Da ihr Amtsvorgänger über Monate hinweg krank gewesen war, hatte sein ehrenamtliche Stellvertreter, der Gemeinderat Karl-Heinz Erb, die Geschäfte weitergeführt gehabt: täglich drei Stunden im Rathaus plus Homeoffice und Außentermine, wie die „Heidenheimer Neue Presse“ im März 2023 schrieb.
Probleme gibt es zudem mit dem Eigentümer des Ärztehauses, das ihr Vorgänger initiiert hat. Die Gemeinde ist dort Hauptmieterin und hat an die Praxen untervermietet. Mietkostenabrechnungen, Schimmel und andere Schäden sind Anlass für Zwistigkeiten mit dem Eigentümer, dem Architekten Bernd Dietrich. Anfang dieses Jahres wechselte die Kommune ihre juristische Vertretung für die gerichtliche Klärung der Sache.
Dieser Eigentümer war übrigens vor zwei Jahren Selina Holls Gegenkandidat bei der Bürgermeisterwahl. Er erhielt 8,66 Prozent der Stimmen, was bedeutet, dass 73 Personen aus dem Ort seinen Namen angekreuzt hatten, und worüber er sich am Wahlabend enttäuscht gezeigt hatte.
Die Bürgermeisterin schreibt, dass sie zudem immer wieder konfrontiert worden sei mit „öffentlich geäußerten Bedenken“, ob sie Amt und Familie unter einen Hut bringen könne, nachdem sie im Mai ein zweites Kind bekommen hat.
Sie betont ausdrücklich, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Bewerbung für das Bürgermeisteramt „mit der Familienplanung abgeschlossen“ hatte. Damals war ihr Sohn Lars sechs Jahre alt.
Mittlerweile lebt sie geschieden mit einem neuen Partner zusammen und erklärt: „Eine so massive und rasche Veränderung meiner familiären Situation war zum damaligen Zeitpunkt nicht in Aussicht.“
Gleichzeitig erklärt sie: „Ich habe jede einzelne Sekunde des Bürgermeisterdaseins unheimlich genossen. In dieser Aufgabe und im Umgang mit Ihnen allen bin ich vollkommen aufgegangen.“ Und: „Ich kann mir nach wie vor keinen schöneren Beruf als das Verwalten einer Gemeinde vorstellen.“
Es sei für sie „schwer zu begreifen“ und auch „schmerzhaft“, dass ihr Fachwissen, ihr Herzblut und ihre „Nahbarkeit“ in der Kommune nicht ausreichend geschätzt worden seien. Gemeinderat und Mitarbeiterinnen im Rathaus stehen, wie die „Tagesschau“ berichtet, voll hinter ihr.
Im Radio-Sender „Donau 3 FM“ hieß es, ihr Ausscheiden werde dort bedauert. Sie gelte als „fachlich hochkompetent“ und engagiert,
Im vorigen Jahr wurden in Altheim bei der Gemeinderatswahl fünf Frauen in das zehnköpfige Gremium gewählt, so dass sie zusammen mit der Bürgermeisterin dort die Stimmenmehrheit besaßen.
Selina Holl ist 1994 in Schorndorf geboren, absolvierte eine Ausbildung zur „Verwaltungswirtin im mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst“ und hat ab 2012 im hiesigen Rathaus in den Bereichen Wirtschaftsförderung und Ordnungsverwaltung gearbeitet.
Nach einem Jahr Elternzeit für ihren Sohn Lars folgten drei Jahre im Bereich Straßenverkehrsrecht und ein Jahr in der Stabsstelle Brand- und Katastrophenschutz – wofür sie als langjähriges Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Schorndorf prädestiniert war.

