Kommentar
Immer wieder hört man, dass die Gleichberechtigung bei uns bereits erreicht ist. Die Realität sieht anders aus: Bei der Oberbürgermeister-Wahl am Sonntag tritt neben 4 Männern nur eine einzige Frau an. Woran liegt das?
Ein Grund könnte sein, dass Männer sich mit weitaus mehr Selbstbewusstsein für einen Posten bewerben als Frauen – oder sollte man sagen: mit einer mangelhafteren Selbsteinschätzung? Das amerikanische Unternehmen Hewlett Packard fand in einer Studie heraus, dass sich Frauen auf intern ausgeschriebene Stellen nur dann bewarben, wenn sie die Qualifikation tatsächlich auch zu 100 Prozent erfüllten. Männer hingegen hielten es für ausreichend, lediglich 60 Prozent davon vorweisen zu können.
Da tun sich natürlich Abgründe auf, wenn wir davon ausgehen, dass sämtliche Männer in Führungsposten nur knapp etwas mehr als die Hälfte der erwarteten Leistung bringen können. Wir fragen uns: Wer sorgt dann dafür, dass der Laden trotzdem reibungslos läuft? Wie viel müssen Sekretärinnen, Ehefrauen und Mütter dazu beitragen, ausbügeln, oder gar retten?
Frauen sind nicht nur kritischer mit sich selbst, wenn es um berufliche Befähigungen geht, sie gehen auch mit Ihresgleichen ebenso hart ins Gericht. Um eine Frau in ein politisches Amt zu wählen, meinen sie, mit ihr in sämtlichen Punkten übereinstimmen zu müssen – einschließlich Kleidungsstil und Verhalten in der Gymnastikgruppe. Was sie gegenüber ihren eigenen Geschlechtsgenossinnen übertreiben, untertreiben sie, wenn sie die männlichen Bewerber in Augenschein nehmen. Vermutlich deshalb, weil diese ja ohnehin schon in vielen Punkten anders sind. Und so übersieht frau denn auch den einen oder anderen eklatanten Mangel.
Es heißt, dass Frauen, die erwägen für ein Wahlamt anzutreten, sich zuerst fragen: „Kann ich das?“ und nur, wenn sie nach ausreichender Prüfung oder Nachqualifizierung die Frage mit „ja“ beantworten können, aktiv werden. Ein Mann hingegen fragt sich: „Will ich das?“ – für ihn sind die die dafür nötigen Fähigkeiten nicht so wichtig. Manche gehen auch einfach davon aus, dass sie so ziemlich alles können. Das geht dann auch lange gut. Bis ein ernsthaftes Problem auftaucht.
Mit diesem Hintergrundwissen können wir das Verhalten unseres derzeit einzigen Bürgermeisters nun auch besser einordnen. Wenn er so strikt am geplanten Bücherei-Neubau festhält. Wenn er wörtlich sagte, er wolle „nicht nochmals von vorne anfangen“ zu planen. Wenn ihm für das dann leerstehende Gebäude keine andere Nutzung einfällt.
Da wünscht man dem guten Mann, dass er nicht so schnell die Karriereleiter hochgestiegen wäre. Und für Schorndorf wünscht man sich, dass ein solch verantwortungsvoller Posten wie das Bürgermeisteramt von einer Frau ausgefüllt wird, die 90 Prozent der dafür nötigen Fähigkeiten mitbringt – das wäre immerhin die Hälfte mehr, als es die 60%-Männer vorweisen.