Glosse«
Schorndorf blickt auf eine lange Tradition in Sachen Umnutzung ausgedienter Einrichtungen zurück: Im ehemaligen Spital residiert jetzt das Citymanagement, die Lateinschule wurde zum Museum, und dort, wo einst Feuerwehrautos abgestellt waren, tagt inzwischen der Gemeinderat.
Die Baugrube, in der im vorigen Jahrhundert die Träume einer neuer Stadthalle versanken, wird heute als See mit schöner Parkanlage von der Bevölkerung geschätzt, wie ja auch unser Freibad aus einer vollgelaufenen Grube der ehemaligen Ziegelei hervorging.
Desgleichen wurde die Schlachthaus-Gaststätte anno 2015 zum „Zentrum für internationale Begegnungen“ umfunktioniert, das später in ein „Zentrum für Ideen“ umbenannt wurde, und jetzt wieder als „Theos Imbiss“ kommerziell Speisen anbietet.
Es gibt genügend Beispiele, wie Altes überholt ist und das Leben auf andere Weise weitergeht: der Trinkbrunnen am Rathaus steht als virtuelles Mahnmal da, und den sich-selbst-meldenden Mülleimer hat man heimlich, still und leise entfernt.
So eröffnen sich auch für die alte Meierei, in der die neue Bücherei einziehen sollte, was aber wegen Pilzbefall in den Holzbalken nur mit sehr großem Mehraufwand verbunden wäre, mannigfaltige neue Möglichkeiten.
Schließlich will man ja dem guten Geld kein schlechtes hinterherwerfen. Ursprünglich sollte das Projekt nicht mehr als 5 Millionen Euro kosten. Inzwischen sind es 11,4 Millionen und StadträtInnen rechnen bereits mit mindestens 15 Millionen. Also dem Dreifachen. Das durchzuziehen könnte den Unmut derer, die es bezahlen müssen, herausfordern.
Besser wäre es also, umzudenken, neu anzusetzen. Man könnte den „Bücherturm“ zum Beispiel jungen Bands als Probenraum zur Verfügung stellen, wie Stadtrat Saling immer wieder fordert, um die Jugend zu fördern.
Oder man baut den Bau zu einem volltauglichen Bunker aus. Die Angst vor einem Krieg treibt schließlich viele Menschen um. Wenn man da drinnen Plätze einrichtet, um sie an vorausschauende BürgerInnen zu vermieten, kommt sogar Geld in die Stadtkasse. Also das Gegenteil von einem Steuergelder-Grab. Je finanzstärker diejenigen sind, die sich um die raren Plätze bewerben, umso besser.
Denkbar wäre auch, den Bau zu einem Fahrradparkhaus umzufunktionieren. Es müsste nur noch ein Aufzug eingebaut werden und eine Bezahlschranke. Alternativ: die Stockwerke mit Rampen verbinden, weil Aufzüge ja gern ausfallen (siehe Bahnhofsunterführung und Lidl-Steg).
Und was wird aus der Bücherei? Nun, sie ist ja nicht obdachlos. Sie hat ja ein Domizil. Und angesichts steigender Nachfrage nach E‑Books werden dort die Regale immer mehr von Druckexemplaren befreit, so dass von ganz allein mehr Platz für neue Medien entsteht.
Nicht ausgeschlossen ist, dass ein späterer Gemeinderat irgendwann einmal – wenn Schorndorf wieder zu Geld gekommen ist – an das bestehende Gebäude einen Anbau hinstellt. Direkt davor. Da, wo jetzt noch Autos parken.
Wenn man diese Stellplätze abschafft, ist das voll und ganz im Sinne der Klimarettung. Die NutzerInnen der Bücherei werden sicherlich gern im Fahrradparkhaus am Archivplatz ihr Gefährt abstellen.
Fachleute im Gemeinderat betonen stets, dass Kunden ihren Einkauf aus Geschäften in der Fußgängerzone durchaus bis ins nächste Parkhaus tragen können. Dann werden Leseratten mit ihren Büchern ebenso gern ein paar mehr Schritte gehen.