Kommentar
Kaum zu glauben, aber tatsächlich wahr: Der Gemeinderat sollte am Donnerstag feststellen, dass bei Sabine Berger ein „wichtiger Grund“ für ihr vorzeitiges Ausscheiden als Stadträtin vorliegt, ohne den Sachverhalt überhaupt zu kennen.
Es ist unfassbar: Das Gremium sollte etwas beurteilen, das es gar nicht beurteilen kann. Es sollte blind der Vorgabe des Oberbürgermeisters folgen. Demokratie sieht anders aus.
Da war der Oberbürgermeister tatsächlich schlecht beraten, als er Sabine Berger mit ihrer Erklärung nicht umgehend auf den Gemeinderat als entscheidendes Organ verwies, sondern sich ihre Gründe nur selbst im vertraulichen Rahmen anhörte.
Man kann Verständnis dafür haben, dass ein Privatmensch seine persönlichsten Probleme nicht in der Öffentlichkeit ausbreiten möchte. Aber Sabine Berger ist eine gewählte Stadträtin. Und damit ist sie, wie alle anderen in diesem Amt, in erster Linie „dem Souverän“ verpflichtet, also der gesamten Wählerschaft. Das ist eine komplett andere Kategorie, als nur in den Vorstand eines Vereins gewählt zu werden.
5.172 Stimmen wurden im vorigen Mai für Sabine Berger abgegeben. Das bedeutet bei maximaler Stimmenhäufung, dass über 1.700 Menschen sie als ihre Vertreterin im Rathaus sehen wollten, realistisch gerechnet, mindestens 2.000 Menschen.
In Herrenberg hat ausgerechnet ein Parteigenosse Bergers zum Thema „Ausscheiden aus dem Gemeinderat“ unlängst erklärt, dass die Gemeindeordnung hohe Hürden für die Rückgabe eines Mandates vorsehe: „Wenn wir kandidieren, übernehmen wir eine Verantwortung. Und die Verantwortung haben wir wahrzunehmen.“ Er lehnte daher das Ansinnen seines Ratskollegen ab und sagte, dessen Partei spiele mit den Freiheitsrechten der Demokratie, und man dürfe ihr das nicht durchgehen lassen.
Man kann Verständnis dafür haben, dass der Oberbürgermeister seine Parteigenossin schützen wollte vor möglichem Gerede in der Stadt. Die Erfahrung zeigt freilich, dass die Gerüchteküche weitaus Schlimmeres bewirkt, als das Benennen der schlichten Wahrheit.
Das Verhalten des Oberbürgermeisters war nicht nur undemokratisch, sondern auch höchst ungeschickt. Denn es hat er nur Verlierer hervorgebracht:
1. Der Souverän ist vor den Kopf gestoßen. 2.000 Wähler, v.a. aber Wählerinnen, die oft ganz ausdrücklich eine Frau gewählt haben, sehen ihre Stimme als verloren an.
2. Der Gemeinderat steht recht unglücklich da, wenn es den Anschein hat, dass der Verwaltungschef ihn bevormundet.
3. An der Wahrhaftigkeit von Sabine Bergers Gründen werden immer Zweifel bleiben, wenn diese das Licht der Öffentlichkeit scheuen müssen.
4. Der Oberbürgermeister selbst nimmt Schaden, wenn geargwöhnt wird, dass der eigentliche Zweck dieser Hinterzimmer-Entscheidung der war, mit dem Nachrücker Schmid wieder einen der „alten Hasen“ in die SPD-Fraktion zu hieven.
Wir müssen in Schorndorf noch nicht einmal „mehr Demokratie wagen“, um zu verhindern, dass sich ein solcher Vorgang wiederholt. Es genügt, wenn wir die bestehenden Gesetze und Regeln einhalten, achten, umsetzen.
Die Hälfte des Gemeinderats hat sich bereits geweigert, blind abzunicken, was ihr der Verwaltungschef vorgab.
Das gibt Hoffnung.