Gestern früh wurde ein vermisster 80-Jähriger per Hubschrauber über Schorndorfs Stadtgebiet gesucht. Dieser sei eingesetzt worden, da die „Gefahr bestand“, dass der Mann sich in einer „hilflosen Lage befand“. Gegen 6.45 Uhr sei er dann im Ottilienweg gefunden worden, bereits „stark unterkühlt“. Mehrere hundert Menschen wurden durch den Krach, den dieser Hubschrauber machte, in ihrer Nachtruhe gestört.
Im hiesigen Polizeirevier war nicht zu erfahren, wie viele Beschwerde-Anrufe wegen Ruhestörung durch diesen Einsatz eingegangen sind, da sie nicht protokolliert würden. Eine generelle Anfrage an die Landtagsabgeordnete der Grünen zum Thema beantwortete deren persönliche Referentin Friederike Köstlin 2019 mit einem „Tatsächlich ist die baden-württembergische Polizei stolz auf ihre supermodernen Hubschrauber. Als polizeipolitische Sprecherin ist Frau Häffner selbst schon bei einem Nachtflug dabei gewesen. Dass sich das Bedürfnis nach Sicherheit und das Bedürfnis nach (nächtlicher) Ruhe manchmal unvereinbar gegenüberstehen, ist leider nicht zu vermeiden.“
Hubschrauber-Einsätze zur Vermisstensuche nehmen stetig zu. Anno 2021 wurden mit dieser Technik in Baden-Württemberg 71 Personen aufgespürt, im Jahr zuvor waren es 65 Menschen gewesen und das Jahr davor 57 Personen. Auch die Verfolgung von Einbrechern wird aus der Luft betrieben. 2021 wurden auf diese Weise 36 Täter gefasst, im Jahr davor 58 Täter, und davor 38 Täter.
Andere Polizeireviere appellieren an die Empathie der AnruferInnen in so einem Fall, weil es mitunter um Leben oder Tod gehe bei solchen Einsätzen. Polizisten in Rheinland-Pfalz hingegen beklagen sich ihrerseits, wenn jemand die Ruhestörung moniert: „Was glauben die Anrufer eigentlich?“ Und: „Wenn der Polizeihubschrauber nachts unterwegs ist, hat das einen guten Grund! Und noch wichtiger: Ja, wir dürfen das!“ Sie fordern die Bevölkerung ohne Höflichkeitsanrede auf: „Deshalb die dringende Bitte an Euch: Ruft nicht bei der Polizei an, um zu fragen warum nun gerade der Hubschrauber unterwegs ist.“
Die Frage der Verhältnismäßigkeit von Nutzen und Schaden hat die Leipziger Landtagsabgeordnete der Linken, Juliane Nagel, ihrem Innenminister Roland Wöller gestellt. Aus dessen Antwort konnte man eine theoretische Abwägung zwischen „Gefahrenabwehr“ und „einer etwaigen Lärmbelastung“ heraushören. Der Redakteur der „Leipziger Zeitung“ wertete diese jedoch als „Selbstherrlichkeit sächsischer Behörden“, unter der die Bevölkerung zu leiden habe, „weil ihre Gesundheit auch im Ermessen der Polizei erst an vierter Stelle kommt.“
An anderen Orten in der Republik wurden Vermisste inzwischen mittels alternativer Technik, nämlich einer Drohne aufgespürt.