Gedenktag«
Wohl selten zuvor sprach uns die Botschaft der Engel zu Weihnachten so sehr aus der Seele wie heute: „Friede auf Erden!“ Diese Sehnsucht, dass das Massenmorden auf der Welt für irrsinnige politische Ziele endlich einmal aufhört. Dass die Menschheit zur Vernunft kommt und ihre Kraft auf ein gutes Miteinander hin ausrichtet.
Die meisten Menschen wollen keinen Krieg. Es sind nur ganz wenige, die diese anzetteln – aus Geldgier, Machtgeilheit, Geltungsdrang oder tatsächlicher Angst vor einem politischen Gegner. Das sind Politiker, Waffenlobbyisten, Besitzer von Fabriken für Panzer, Kanonen, Gewehre. Vielleicht noch ein paar Generäle. Einfache BürgerInnen haben kein Interesse daran.
Eigenartigerweise sind aber viele derer, die laut „Nie wieder!“ rufen, wenn es um den 2. Weltkrieg geht, plötzlich bereit, Waffenlieferungen unserer Regierung in die Ukraine gutzuheißen. Und zwar, weil das ja „was ganz anderes“ ist. Weil sie eine unvermeidbare Notwendigkeit sehen: Den russischen Aggressor Putin aufhalten, bevor er sich auch noch Deutschland unter den Nagel reißt.
Historiker und Psychologen wissen gleichermaßen, dass man die Bevölkerung, die einen Krieg nicht nur mit ihren Steuergeldern bezahlen muss, sondern auch mit dem Leben ihrer jungen Männer, nie durch rein sachliche Argumente allein dazu bringen kann. Aus diesem Grund wird immer mit Emotion, mit Empörung und Angst gearbeitet. Das ist der oberste Grundsatz der Kriegspropaganda. Und diese beginnt bereits dann, wenn man es noch gar nicht vermutet.
Laut Bibel hat Jesus, dessen Geburt wir heute feiern, den alten Glaubenssatz „Auge um Auge“ aufgehoben und ersetzt durch das Gebot „Liebet eure Feinde“.
Das ist aber leider so derartig revolutionär, dass die meisten sich gar nicht vorstellen können, wie sie selbst, als Normalsterbliche, so etwas umsetzen könnten. Allenfalls vielleicht in ferner Zukunft, wenn sie einmal sehr, sehr alt und weise geworden sind.
Weil aber heute Weihnachten ist, möchte ich Sie dazu einladen, die Tür einen Spalt zu öffnen und mal einen Blick auf das zu werfen, was sich jenseits davon befindet. Nur mal gucken.
Da entdeckt man beispielsweise, dass es nützlich ist, sich ein bisschen zu distanzieren vom reinen Schwarz-Weiß-Denken, von der Einteilung in (nur) gut und (nur) böse. Eine kleine Übung wäre, dass man bei Personen und Institutionen, die über jeden Zweifel erhaben scheinen, durchaus auch unredliche Absichten für möglich hält.
Und umgekehrt: Dass man beispielsweise am „Aggressor“ Putin den einen oder anderen kultivierten oder menschlichen Zug sieht. Seine Rede, die er anno 2001 im deutschen Bundestag hielt, böte dafür Material
Als zweite Übung empfehle ich, einen Blick auf die russische Kriegspropaganda zu werfen. Ja, genau. Sie haben richtig gelesen: Kriegspropaganda. Warum denn auch nicht?! Nur mal gucken. Ist hochinteressant. Und man fällt beim Lesen auch nicht gleich tot um.
Es gibt sie in deutscher Sprache bei „Russia today“. Allerdings muss man ein bisschen kreativ sein, um sie zu finden. Denn EU-Behörden haben deren Internet-Seiten verboten, um die Bevölkerung vor diesem „Feindsender“ zu schützen. Thomas Röpers Blog „Anti-Spiegel“ bringt ebenfalls Übersetzungen russischer Nachrichten.
Natürlich lügt diese Kriegspropaganda. Lügen ist ja ihre oberste Pflicht. Es wäre freilich naiv anzunehmen, dass die „Gegenseite“ (also: Nato-Staaten inklusive Deutschland) ihrerseits auf Propaganda völlig verzichtet. Wer spontan denkt: „Das würden sie nie tun! Wir sind doch die Guten“ – ist bester Beleg für eine erfolgreiche Propaganda.
Und da auch die Menschen in Russland überzeugt (worden) sind, dass ihre Regierung die Gute sei, die die Grenzen des Landes verteidigt und schützt, bleibt uns als einziger Auswege, uns die Propaganda beider Seiten anzuhören. Dann entsteht ein Raum dazwischen, in dem noch am ehesten ein Bild der Realität entstehen kann.
Die dritte Übung besteht darin, nicht nur von Politikern und Generälen Frieden zu fordern, sondern selbst dafür aktiv zu werden. Und zwar im eigenen Umfeld. Dass man einen kleinen Schritt zugeht auf diejenigen, mit denen man hadert, oder vor denen man sich fürchtet. Nur einen Schritt. Man verliert dadurch nicht seinen Schutz und erst recht nicht seine Würde. Denn man selbst ist ja der Aktive.
Sehr große Aussichten auf Erfolg hat man diesbezüglich bei den politischen Feinden. Weil diese Art der Feindschaft auf einem künstlichen Konstrukt beruht. Da verweigern StadträtInnen ihren Kollegen von einer anderen Partei den Gruß. Da will eine Kirchgängerin nicht mit einer Querdenkerin sprechen. Da ist ein Mann in der Friedensinitiative, der nicht mit anderen Menschen zusammen demonstrieren möchte, nur weil sie nicht aus dem gleichen „Stall“ kommen wie er.
Sie alle sind freilich nicht mit dieser Einstellung geboren. Sie haben sie sich irgendwann einmal angeeignet. Und sie würden sich sehr wundern, wenn man ihnen sagt, dass sie damit Objekt einer gelungenen Manipulation sind. Gemäß dem alten Spruch „Divide et impera“, der dem Fürsten Machiavelli zugeschrieben wird, praktizieren auch die heute Regierenden immer noch sehr erfolgreich das Prinzip des „Spalte und herrsche“.
Zwar betonen sie stets ihr Bedauern über eine „Spaltung in der Gesellschaft“. Oft zeigen sie auch mit dem Finger auf vermeintlich Schuldige der einen oder anderen Seite. Womit sie sie diese Spaltung nur noch mehr befeuern.
Und heimlich lachen sie sich ins Fäustchen, weil es so gut funktioniert. Denn ein Volk, das untereinander zerstritten ist, stellt keine Gefahr für die Oberen dar. So lange die „Unteren“ sich gegenseitig bekriegen, kann die Regierung nach Lust und Laune schalten und walten, und hat nicht zu befürchten, dass der „Souverän“ dem unguten Treiben einen Riegel vorschiebt.
Deshalb wird diese Zwietracht immer fein von oben weiter geschürt. Oder kann sich irgendwer daran erinnern, dass der Bundespräsident seine GenossInnen dazu aufgerufen hätte, AfD-PolitikerInnen die Hand zu reichen? Hat der Kanzler jemals zur Versöhnung der Bevölkerung aufgerufen? Gelegenheit dazu hätte es zuhauf gegeben. Mehr als ein lauwarmes „Man werde sich gegenseitig viel verzeihen müssen“ kam da nicht.
Machen wir es also selbst. Steigen wir aus diesem Spielchen aus. Durchkreuzen wir die Pläne der Oberen – die wir keinesfalls als Feinde sehen. Nur als Menschen auf Augenhöhe. Reichen wir die Hand. Unserem Nachbarn, unserem politischen „Feind“. Gemäß dem Sinnspruch: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst.“
Fangen wir hier und heute an. Machen wir doch da, wo wir es können, die Welt etwas heller, schaffen wir ein bisschen mehr Frieden.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gesegnete, besinnliche und beglückende Feiertage!