Eine Demo in einem kleinen Dorf

Glosse«
Eine Freun­din er­zählte mir ges­tern, dass in ih­rem Dorf dem­nächst eine AfD-Ver­an­stal­tung statt­fin­det, und die ört­li­che SPD zu­sam­men mit den Grü­nen, samt be­freun­de­ter Ver­ei­nen des­halb de­mons­trie­ren will: für De­mo­kra­tie und ge­gen Hetze.

„Für De­mo­kra­tie: ein eh­ren­wer­tes Ziel!“, stimmte ich so­fort zu.

Vor­ran­gig ge­gen die AfD, stellte sie klar.

„Ach“, ent­fuhr es mir, „ist die jetzt von der Bun­des­wahl­lei­te­rin nicht mehr als de­mo­kra­ti­sche Par­tei zu­ge­las­sen? Hab ich gar nicht mit­be­kom­men.“

Was sie ver­neinte und et­was un­wirsch sagte, das sei ja gar nicht der Punkt.

„Ach nein?“

An die­ser Kund­ge­bung, so er­klärte sie, wolle näm­lich auch ihr Bür­ger­meis­ter teil­neh­men.

Ich hatte ver­stan­den: „Weil er für De­mo­kra­tie ist.“

Sie rollte die Au­gen, denn das war of­fen­bar auch nicht der Punkt.

„Ich weiß!“ fiel mir ein: „Er tut das, weil diese Par­teien ihm ge­hol­fen ha­ben, Bür­ger­meis­ter zu wer­den. Und des­halb re­van­chiert er sich jetzt bei de­nen.“

Meine Freun­din blickte mich nur völ­lig ent­geis­tert an.

„Na, weil sie grad so schlechte Um­fra­ge­werte ha­ben und Kom­mu­nal­wah­len be­vor­ste­hen…“, er­klärte ich ihr.

Meine Freun­din schüt­telt den Kopf:

„Das ist auch nicht der Punkt?“

Nein.

„Son­dern?“

Die­ser Bür­ger­meis­ter habe un­längst schon ein­mal an ei­ner ähn­li­chen Demo teil­ge­nom­men. Und des­halb sei ge­gen ihn eine Dienst­auf­sichts­be­schwerde er­gan­gen.

„Seit wann ist es ver­bo­ten, für die De­mo­kra­tie ein­zu­tre­ten?“, be­gehrte ich auf.

Das habe mit dem Mä­ßi­gungs­ver­bot für Be­amte, also auch Wahl­be­amte, also auch Bür­ger­meis­ter, zu tun, klärte sie mich auf. Weil Be­amte näm­lich dem gan­zen Volk die­nen, müss­ten sie ihre Auf­ga­ben un­par­tei­isch er­fül­len.

„Und wer das nicht tut, be­kommt Är­ger?“

Ja, sagte sie, ganz ak­tu­ell sei ein Feu­er­wehr­mann in Ber­lin, der den pro­tes­tie­ren­den Bau­ern ap­plau­diert habe und sein Mar­tins­horn dazu er­schal­len ließ, auch mit so ei­ner Be­schwerde kon­fron­tiert wor­den.

„Ist nicht wahr!“, rief ich.

Doch, sagte sie. Ein Jura-Pro­fes­sor habe das in der „Welt“ ge­nau er­klärt: Feu­er­wehr­män­ner „tre­ten in Uni­form und so­mit klar als Staats­die­ner auf; die Si­re­nen sind staat­li­che Ho­heits­mit­tel, die von ih­nen zweck­fremd ein­ge­setzt wer­den“.

„Was es nicht al­les gibt“, ent­fuhr es mir. Al­ler­dings, wandte ich dann ein, hat doch Kanz­ler Scholz kürz­lich auch an so ei­ner Anti-AfD-Kund­ge­bung teil­ge­nom­men.

Ja, aber aus­drück­lich als Pri­vat­mann, als Bür­ger, wusste meine Freun­din. Er war also of­fen­sicht­lich nicht im Dienst.

Meine lo­gi­sche Schluss­fol­ge­rung, dass der Feu­er­wehr­mann ja auch nicht grad beim Lö­schen war…, wehrte sie mit ei­ner mü­den Hand­be­we­gung ab. Fakt sei, dass ihm auf je­den Fall eine Dis­zi­pli­nar­maß­nahme drohe, evtl. eine Geld­buße oder so­gar die „Ent­fer­nung“ aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis.

„… also dei­nem Bür­ger­meis­ter auch…“, schluss­fol­gerte ich.

Sie strahlte. Denn jetzt hatte ich of­fen­bar den Punkt er­fasst.

„Aber dann ist es ja von ihm reich­lich ver­we­gen, noch­mal das Glei­che zu tun, oder sa­gen wir: zu­min­dest un­klug!“, staunte ich.

Da grinste sie wis­send und meinte, dass das in ih­rem Dorf viele auch ge­dacht hät­ten.

„Aber?“ hakte ich nach.

Es gebe In­si­der, sagte sie, die mei­nen, dass er es ge­nau dar­auf an­ge­legt habe.

„Auf ei­nen Ver­weis? Auf eine Geld­buße? Auf sei­nen Raus­schmiss?“

Ja, ge­nau, sagte die Freun­din. Es sei näm­lich be­kannt, dass er sich den Job als Bür­ger­meis­ter ganz an­ders vor­ge­stellt habe. Dass er das Dorf habe um­ge­stal­ten wol­len. Dass er aber statt­des­sen jetzt mit vie­len Pro­ble­men kon­fron­tiert sei. Und dass un­ter die­sen Um­stän­den acht Jahre Amts­zeit ganz schön lange sind.

„Aber ein sol­cher Raus­schmiss ist ja nicht ge­rade ein sehr rühm­li­cher Ab­gang.“

Das sehe die­ser Bür­ger­meis­ter of­fen­bar an­ders. Schließ­lich habe er kein Ta­fel­sil­ber ge­klaut, son­dern könne sa­gen, er sei die­ses Ri­siko für seine de­mo­kra­ti­sche Über­zeu­gung ein­ge­gan­gen. Dann gelte er als Op­fer, viel­leicht so­gar als Mär­ty­rer. In ei­ner Reihe mit Lu­ther („Hier stehe ich, ich kann nicht an­ders“). Mit Gan­dhi oder mit Ga­li­leo Ga­li­lei, den die In­qui­si­tion in die Knie zwang. Dann würde er ge­fei­ert, würde zu ei­ner Ikone, zu ei­ner Licht­ge­stalt der De­mo­kra­tie…

„Vom ein­fa­chen Bür­ger­meis­ter zu ei­ner Licht­ge­stalt – das ist zwei­fel­los ein Auf­stieg“, musste ich ein­ge­ste­hen.

OHNE MOOS NIX LOS!

Das „Schorn­dor­fer On­­line‑Blatt“ steht für un­ab­hän­gi­gen Jour­na­lis­mus.


Da­mit das so bleibt, freuen wir uns über Ihre Un­ter­stüt­zung!

Konto-In­­­ha­­­be­rin: G. Uhde

IBAN :


DE83 6005 0101 8836 5559 72

Newsletter:

schoblatt.de