Kurzmeldung«
Lars Haise ist nicht der erste Schorndorfer Stadtrat, der zudem als Abgeordneter im Berliner Reichstagsgebäude sitzt.
Vor über 100 Jahren war es der „Kronenwirt“ Hermann Gunßer, der diese beiden Ämter innehatte: seit 1907 im Schorndorfer Gemeinderat und von 1912 bis 1918 Abgeordneter des Wahlkreises 10 (Gmünd, Göppingen, Welzheim, Schorndorf) – als einer von insgesamt 397 Männer im damaligen Reichstag.
Dort setzte er sich anno 1917 u.a. dafür ein, dass bei der Beschlagnahmung von Kupfer für Kriegszwecke die Brennkessel für Obstbrand nicht eingezogen werden sollten. Er plädierte dafür, dass zumindest in jedem Dorf eine solche Brenneinrichtung erhalten bleibe, damit „Kirschen und sonstigen Früchten, die sonst leicht verderben würden“ gebrannt werden könnten, und „in dieser schweren Zeit nichts verloren geht“.
Gunßer wurde 1871 in Crailsheim geboren, lernte den Beruf des Kellners, und übte diesen unter anderem in Stuttgart, Paris, London und Bremen aus, bevor er sich im Jahr 1899 in Schorndorf selbständig machte.
Hermann Gunßer kandidierte für die „Deutsche Fortschrittliche Volkspartei“, deren Mitglied Friedrich Naumann die Nachfolgepartei „Deutsche Demokratische Partei“ (DDP) gründete, der seinerseits der Schorndorfer Reinhold Maier beitrat.
Die Volkspartei forderte die Trennung von Staat und Kirche sowie die Abschaffung des preußischen Dreiklassenwahlrechts. Im Ersten Weltkrieg stand sie zunächst hinter der Regierung, kritisierte aber schon bald deren „uferlosen Annexionspläne“ und wollte einen „Verständigungsfrieden“ erreichen.
Hermann Gunßer erklärte am 16. Mai 1917 in einer Reichstagssitzung, dass bei der Musterung für den Kriegseinsatz „alles, was sich zur Untersuchung zu stellen hat, einfach felddienstfähig“ erklärt würde. Gebrechen der Gemusterten würden nur deshalb akribisch verzeichnet, damit spätere Rentenansprüche abgelehnt werden könnten mit dem Argument, der Betreffende habe ja bereits schon vorher an dieser Krankheit gelitten.
Hermann Gunßer bekam im Jahr 1916 das Charlottenkreuz verliehen. Mit Kriegsende schied er aus dem Reichstag aus, wurde jedoch 1919 als Stadtrat wiedergewählt. Er starb am 28. Oktober 1934 in Schorndorf im Alter von 63 Jahren.
Übrigens: So wie Lars Haise war Gunßers Vater ebenfalls Lokführer.