Kommentar
Heute endet die Amtszeit unseres seitherigen Oberbürgermeisters. Schorndorf atmet auf. Was hat er uns gebracht? Leuchtturmprojekte, Stahlkanten an den Wegen in den Parks und einen Schuldenberg, der inzwischen auf 181 Millionen Euro angestiegen sein könnte.
Ihm allein daran die Schuld zu geben, wäre freilich zu kurz gedacht. Immerhin hat der gesamte Gemeinderat all das abgesegnet, was so viele Steuergelder verbraten hat. – Moment: Der gesamte Gemeinderat? Nein. Zu dessen Ehrenrettung darf man getrost sagen: Es gab einzelne und sogar eine ganze Fraktion, die immer wieder kritisch ihre Stimme gegen das Stadtoberhaupt erhoben haben. Menschen, die sich, wie es unser Grundgesetz vorsieht, nur ihrem Gewissen und dem Willen der WählerInnen verpflichtet fühlen. Die nicht alles abnicken, was von oben kommt.
Zu diesem etwa ein Viertel großen Teil des Gemeinderats gehören Julia Schilling, Iris Greiner, Thomas Schaal und Manfred Bantel von der CDU sowie Kirsten Katz von der Grünen-Fraktion und Andreas Schneider, der diese Fraktion verlassen hat. Plus die gesamte, 3 Köpfe umfassende AfD-Fraktion. Sie alle haben mehr oder weniger mit Unannehmlichkeiten zu rechnen dafür, dass sie nicht mit der Masse schwimmen. Am ärgsten die AfD. In der ersten Sitzung nach der Gemeinderatswahl 2019 hat der Oberbürgermeister, kaum dass einer von ihnen den Mund aufgemacht hat, in einer Heftigkeit auf sie reagiert, die der Situation nicht angemessen war.
Jetzt hat er den Vogel abgeschossen: „Es gibt keine guten AfD-ler“ sagte er bei seinem Abschieds-Interview in der Lokalzeitung. Was für eine Anmaßung. So ein Amt verändert den Menschen. Den einen mehr, den anderen weniger. Ihn offenbar dahingehend, dass er sich inzwischen für allwissend hält. Kennt er denn jeden einzelnen dieser Partei? Natürlich nicht. Man fragt sich, was schlimmer ist: Die Dummheit, die hinter dieser Aussage steht, oder jene, sich öffentlich zu einem solchen Satz hinreißen zu lassen.
Von einem Stadtoberhaupt wünschen wir uns, dass es so besonnen wie offen ist, so souverän wie fair agiert. Vorurteile, Pauschalierungen und Schwarz/Weiß-Denken haben an der Spitze des Rathauses nichts verloren.
Nächsten Sonntag wählen wir seine(n) NachfolgerIn. Woran können wir erkennen, dass wir uns nicht wieder den gleichen Typ einhandeln? Denn in ihren Versprechungen sind sie alle genauso gut wie der Seitherige, der z. B. von „Brückenbauen“ sprach, aber in der Praxis die Gräben sogar selbst aufriss.
Woran erkennt man bei den BewerberInnen, dass sie wirklich der/die OB „für alle“ sein können? Es gibt kein Patentrezept. Ein Ansatz wäre vielleicht, genau hinzuschauen, wie sie mit politisch Andersdenkenden umgehen. Und auch: darauf achten, dass sie nicht einem Entweder/Oder-Denken verhaftet sind, sondern differenzieren können und einen kreativen dritten Weg suchen. Dass sie auf Dialog statt Diffamierung setzen.