Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts erlebte Europa eine ähnlich bedrückte Weihnachtszeit wie wir heute. Damals waren die Nationen in einen unsinnigen Krieg gezogen, den sie nicht gewinnen konnten.
Am 24. Dezember 1919 schrieb der gebürtige Esslinger Georg Heinrich von Planck in seiner Funktion als Prälat von Ulm im „Schorndorfer Anzeiger“ dies:
„Weihnachten ist wieder gekommen. Ob wir uns davor gefürchtet, ob wir uns darauf gefreut – es ist da, und wir vernehmen wieder das Wort aus Engelsmund: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!
Es ist nicht zviel gesagt, daß sich diesmal manche vor Weihnachten gefürchtet haben: wo Söhne oder Vater nicht mitfeiern, weil sie gefallen oder noch gefangen sind, oder wo sonst uns ein Liebstes fehlt, da ist’s kein Wunder, wenn einem bangt vor dem Tag, der die Freude sonst so sicher mit sich brachte und der auch diesmal uns zuruft: Freuet Euch!
Und doch haben wir die Weihnachtsfreude und die Weihnachtsbotschaft noch nie so nötig gehabt wie in diesem Jahr, da es rings um uns her so unsagbar traurig und hoffnungslos steht und das „Friede auf Erden“ noch mehr als im letzten Jahr wie ein schriller Mißklang uns ins Ohr dringt. Denn ohne Freude kann der Mensch nicht leben; sie ist nicht ein Luxus für Bevorzugte, sie ist eine Lebensnotwendigkeit für jede menschliche Seele. Gott Lob! daß doch unsere Kinder es uns vorleben, was das Wort erreichen möchte: „Siehe, ich verkündige Euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird!“ Gott Lob! daß sie uns auch das andere lehren: Sorge nicht für den anderen Morgen.
Die Freude, die stillen Freuden des deutschen Hauses, das Beglückende unseres Familienlebens, dies konnten uns die Feinde doch nicht nehmen. Und noch weniger können sie die Weihnachtsfreude dem entreißen, der ihren tiefsten Grund im Herzen trägt, die Dankbarkeit für die ewige Liebe, die in jener ersten heiligen Nacht sich in die liebeleere Menschheit eingesenkt hat. Wer von der Allgewalt dieser göttlichen Liebe durchdrungen ist, der trägt auch die Hoffnung im Herzen, daß die Liebe auch noch einmal den Haß besiegen werde, unter dem wir so furchtbar leiden. Denn wir leiden unter dem Haß, und zwar unter dem, den wir nicht fühlen, noch mehr, als unter dem, den wir zu fühlen bekommen.
Und auch die Freude ist unentreißbar, die daraus entspringt, daß wir andern Liebe erweisen. Wieviel Gelegenheit ist dazu vorhanden, in der Nähe und in der Ferne! Gerade Weihnachten lehrt uns, daß Geben noch seliger ist als Empfangen.
So soll’s denn gelten auch für dieses Weihnachtsfest, das Apostelwort: „Freuet Euch in dem Herrn allewege! Und abermal sage ich: Freuet Euch!““