Kommentar
Uns wird erzählt, dass die neue Bücherei nötig sei, um dem „Bildungsauftrag“ der Stadt nachzukommen. Es geht dabei freilich nicht (nur) um Bücher. Es geht vielmehr darum, dass man sich einen Kulturtempel hinstellen will. Dessen Initiator, der frühere Oberbürgermeister, suchte daher auch kein örtliches Architekturbüro aus, sondern „identity architects“, die weltweit aktiv sind, und Preise erringen für ihre zukunftsweisenden Entwürfe in Shanghai und New York. Damit sich Schorndorf in diese Aufzählung einreihen kann. Es ging nie um Bücher. Es ging um einen „aktiven Ort gesellschaftlicher Debatten“ für „interessenübergreifende Begegnungen“, wie im Konzept dazu steht.
Dabei haben wir schon wirklich reichlich Räume für Kultur, für Veranstaltungen, allem voran die Künkelinhalle. Wie viele Stunden am Tag, wie viele Tage in der Woche stehen diese leer? Wir haben die Manufaktur, wir haben den Jazz-Club, die Jugendmusikschule, das Familienzentrum, die Karl-Wahl-Begegnungsstätte, die Gemeindesäle der Kirchen, die Mehrzweckhallen, das Zentrum für Internationale Begegnung. Es will halt jeder sein eigenes Domizil haben.
Und deshalb will auch die Bücherei ein Gebäude mit eigenem Saal, um ihre Veranstaltungen anzubieten. Es geht nicht um Bücher. Die Jugend liest immer weniger Bücher. Für ihre Schul-Referate findet sie das Material nicht mehr in Büchern sondern im Internet. Und wenn sie Belletristik liest, greift sie zum E‑Book. Für diese braucht es keine Regale. Der Platz in der bestehenden Bücherei wird also ausreichen.
Aber es geht nicht um Bücher. Es geht um Träume, es geht um Wünsche, es geht um Prestige. Und es geht um Steuergelder der Bevölkerung. Das sollte man nie vergessen.
Der einzige Grund, weshalb Bürgermeister Englert das Projekt nicht mehrt stoppen wollte, so heißt es, sei, weil er sonst nicht wüsste, was er mit dem Gebäude am Archivplatz anfangen soll. Na, dem Manne kann doch geholfen werden! Unter 40.000 Köpfen in der Stadt sind mindestens zwei Dutzend, die ihm mit Ideen reichlich aushelfen können.
Eine erste davon wäre: Man bringt dort Flüchtlinge unter. Händeringend ruft die Stadtverwaltung derzeit die Bevölkerung auf, Wohnraum zur Verfügung zu stellen, Leerstände zu melden. Da stünde es ihr gut zu Gesicht, mit entsprechendem Beispiel selbst voranzugehen.