Der OB warnt vor Missbrauch von Macht

Ober­bür­ger­meis­ter Bernd Hornikel er­klärte in sei­ner Rede zum Volks­trau­er­tag, dass die Vor­stel­lung, Krieg sei le­dig­lich die „Fort­set­zung der Po­li­tik mit an­de­ren Mit­teln“ auf „ekla­tante Weise“ ver­harm­lose, was Krieg tat­säch­lich an un­fass­ba­rem Leid über die Men­schen bringt.

Des­we­gen plä­diert er da­für, „Kon­flikte nicht mehr mit Waf­fen, son­dern mit Wor­ten zu lö­sen“. Er apel­lierte: „Je­der von uns kann den Dia­log su­chen“ und: „Frie­den be­ginnt dort, wo Men­schen ein­an­der ver­ste­hen wol­len, statt sich zu be­kämp­fen.“ 

Hier das Ma­nu­skript der ge­sam­ten Rede:

Sehr ge­ehrte Da­men und Her­ren,

„Frie­den ist nicht die Ab­we­sen­heit von Krieg, son­dern eine Tu­gend, eine Geis­tes­hal­tung, eine Nei­gung zu Wohl­wol­len, Ver­trauen und Ge­rech­tig­keit.“ – Ba­ruch de Spi­noza

Diese Worte von Ba­ruch de Spi­noza sind in­zwi­schen über 350 Jahre alt und doch er­schre­ckend ak­tu­ell und mo­dern. Er er­in­nert uns daran, dass Frie­den weit mehr ist als die Stille nach dem Sturm.

Frie­den ist nicht ein­fach ein Zu­stand, den man durch die Ab­we­sen­heit von Krieg er­reicht und an­schlie­ßend be­wah­ren und ver­wal­ten kann.

Wenn wir Güte zei­gen, wenn wir un­se­rem Ge­gen­über Ver­trauen schen­ken, wenn wir für Ge­rech­tig­keit ein­tre­ten, dann le­ben wir den Frie­den, von dem Spi­noza spricht.

Dem­ge­gen­über sagte der preu­ßi­sche Ge­ne­ral­ma­jor und Mi­li­tär­wis­sen­schaft­ler Carl von Clau­se­witz, Krieg sei die „Fort­set­zung der Po­li­tik mit an­de­ren Mit­teln“.

Doch das ver­harm­lost aus mei­ner Sicht auf ekla­tante Weise das Un­fass­bare. Krieg ist kein Mit­tel, son­dern eine Ka­ta­stro­phe.

Er reißt Men­schen aus ih­rem All­tag, zer­stört Fa­mi­lien, Städte, Le­ben – und hin­ter­lässt Wun­den, die nie hei­len. Er kennt kein Maß, keine Gnade, kei­nen Sieg, der den Preis recht­fer­tigt. Krieg ver­schlingt Mensch­lich­keit, Hoff­nung und Zu­kunft. 

Zum heu­ti­gen Volks­trau­er­tag ge­den­ken wir nicht nur der Sol­da­ten, die ihr Le­ben lie­ßen, son­dern auch der un­schul­di­gen Op­fer, der Kin­der, Frauen und Män­ner, de­ren Le­ben zer­stört wur­den, weil an­dere Macht über Men­schen stell­ten.

Wir ge­den­ken, um zu er­in­nern: Krieg ist nie­mals nur Po­li­tik – Krieg ist un­er­mess­li­ches Leid.

Die Ge­schichte un­se­res Lan­des lehrt uns auf schmerz­lichste Weise, was pas­siert, wenn Ex­tre­mis­ten an die Macht ge­lan­gen. Im­mer dann, wenn Hass, Aus­gren­zung und Ideo­lo­gien der Über­le­gen­heit die Ober­hand ge­wan­nen, führte das Deutsch­land – und mit ihm Eu­ropa ja die Welt – in Dun­kel­heit und Leid.

Der Miss­brauch von Macht, die Ver­füh­rung durch ein­fa­che Ant­wor­ten auf kom­plexe Her­aus­for­de­run­gen und die Gleich­gül­tig­keit der Vie­len ha­ben uns zwei­mal in Ka­ta­stro­phen ge­führt, de­ren Nar­ben bis heute spür­bar sind. 

Mit dem Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges be­gann eine Phase des Nach­den­kens, des Ler­nens und der Ent­span­nung. Viele Na­tio­nen er­kann­ten das un­er­mess­li­che Leid, das Krieg über die Mensch­heit ge­bracht hatte, und setz­ten auf Frie­den, Zu­sam­men­ar­beit und Völ­ker­ver­stän­di­gung.

Jahr­zehn­te­lang schien es, als hät­ten wir aus der Ge­schichte ge­lernt, als hät­ten wir den Wert von Le­ben, Frei­heit und Si­cher­heit wie­der­ent­deckt. 

Doch die jüngste Ver­gan­gen­heit be­weist, dass diese Er­run­gen­schaf­ten auch 80 Jahre nach Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges nicht selbst­ver­ständ­lich sind. Neue Kriege, Ag­gres­sio­nen und das Wie­der­auf­le­ben al­ter Macht­an­sprü­che be­dro­hen das, was über Jahr­zehnte auf­ge­baut wurde.

Sie stel­len den Frie­den in Frage und ru­fen uns schmerz­haft in Er­in­ne­rung, wie zer­brech­lich er doch ist. Es liegt an uns, wach­sam zu blei­ben, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men und die Leh­ren der Ge­schichte zu be­wah­ren – da­mit das, was einst zer­stört wurde, nicht er­neut ver­lo­ren geht.

Aus die­ser Er­fah­rung ist un­ser kul­tu­rel­les Ge­dächt­nis ge­wach­sen: das Be­wusst­sein da­für, dass De­mo­kra­tie kein Ge­schenk, son­dern eine täg­li­che Auf­gabe ist.

Sie zu ver­tei­di­gen be­deu­tet, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men: für Frei­heit, für Men­schen­würde, für Frie­den. Eine wehr­hafte De­mo­kra­tie ist da­her kein Zei­chen der Schwä­che, son­dern Aus­druck von Stärke.

Sie schützt nicht nur sich selbst, son­dern trägt auch dazu bei, den Frie­den in Eu­ropa und in der Welt zu si­chern. Denn wer aus der Ge­schichte lernt, weiß:

Frie­den be­ginnt dort, wo wir Ex­tre­mis­mus, Hass und Gleich­gül­tig­keit kei­nen Raum las­sen. 

Frie­den be­ginnt dort, wo wir be­gin­nen ein­an­der zu­zu­hö­ren, wo wir die Schwä­che­ren nicht über­se­hen, wo wir Kon­flikte nicht mehr mit Waf­fen, son­dern mit Wor­ten lö­sen wol­len. 

Frie­den be­ginnt dort, wo Men­schen ein­an­der ver­ste­hen wol­len, statt sich zu be­kämp­fen. 

Da­von lebt auch die De­mo­kra­tie: vom ge­gen­sei­ti­gen Re­spekt, vom Hin­schauen und vom fried­li­chen Streit um den bes­se­ren Weg. Und So­li­da­ri­tät be­deu­tet nicht zu­letzt, Ver­ant­wor­tung für­ein­an­der zu über­neh­men – über Gren­zen, Na­tio­nen und Ge­ne­ra­tio­nen hin­weg.

Wenn wir diese Werte be­wah­ren, schüt­zen wir nicht nur un­sere Frei­heit, son­dern auch die Mensch­lich­keit, die in den dun­kels­ten Stun­den der Ge­schichte ver­lo­ren zu ge­hen drohte.

Sie zu ver­tei­di­gen ist die wahre Lehre aus un­se­rem Ge­den­ken – und die Grund­lage für eine fried­li­che Zu­kunft.

Heute, am Volks­trau­er­tag, den­ken wir nicht nur an die Op­fer der Ver­gan­gen­heit – wir den­ken auch an die, die in Kri­sen­ge­bie­ten lei­den. Wir den­ken an die Men­schen, die in der Ukraine in zer­bomb­ten Häu­sern aus­har­ren, an die Fa­mi­lien, die im Na­hen Os­ten vor Ge­walt flie­hen.

Wir den­ken an die Men­schen in Tai­wan, die tag­täg­lich in Sorge vor ei­ner Es­ka­la­tion er­wa­chen, und an jene in Kasch­mir, die seit Jahr­zehn­ten zwi­schen den Fron­ten zweier Staa­ten ge­fan­gen sind.

All diese Men­schen eint ei­nes: die starke Sehn­sucht nach Frie­den und Si­cher­heit.

Darum dür­fen wir an die­sem Tag nicht nur trau­ern, meine sehr ge­ehr­ten Da­men und Her­ren, wir müs­sen auch Ver­ant­wor­tung über­neh­men.

Ver­ant­wor­tung da­für, dass sich das Leid der Ver­gan­gen­heit nicht wie­der­holt. Ver­ant­wor­tung da­für, dass Men­schen­würde, Frei­heit und De­mo­kra­tie nie­mals un­ter­drückt wer­den.

Je­der von uns kann dazu bei­tra­gen, in­dem wir Hass ent­ge­gen­tre­ten, Dia­log su­chen und Mensch­lich­keit le­ben – im Klei­nen wie im Gro­ßen. 

Der Volks­trau­er­tag mahnt uns, nicht zu ver­ges­sen, wozu Gleich­gül­tig­keit füh­ren kann, aber auch, was mög­lich ist, wenn wir ge­mein­sam für den Frie­den ein­ste­hen.

Möge das Ge­den­ken an die Op­fer uns Kraft ge­ben, die Zu­kunft in ih­rem Sinne zu ge­stal­ten – eine Zu­kunft in Frie­den, Ver­stän­di­gung und Mit­mensch­lich­keit, ganz im Sinne von Ba­ruch de Spi­noza.

Vie­len Dank.

(Es gilt das ge­spro­chene Wort)

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